"Wut ist ein wertvolles Gefühl"
Durch ihre eigene Wut-Biographie inspiriert schrieb Almut Schmale-Riedel das Buch "Weibliche Wut". Ein Gespräch über eben diese Wut, unerfüllte Bedürfnisse und den Mut zur Veränderung.
Was zeichnet weibliche Wut aus?
Grundsätzlich ist Wut bei Männern und Frauen gleich. Frauen haben aber gelernt, auf eine besondere Weise mit Wut umzugehen. In unserer Gesellschaft werden Frauen eher akzeptiert, wenn sie etwas ängstlich, schüchtern, traurig oder zurückhaltend sind. Wenn Männer dagegen ärgerlich sind und anfangen, sich zu raufen, sind sie richtige Kerle. Bei ihnen wird die Wut stärker geduldet. Frauen erfahren schon als Kind, dass die Eltern sie nicht mögen, sobald sie wütend sind. Wenn wir durch unsere Erziehung und unser Umfeld aber nicht ermutigt werden, unsere Gefühle zu zeigen, sie wahrzunehmen und über sie zu sprechen, laufen wir Gefahr, sie zu verbergen. Und das tun Frauen zwangsläufig mit ihrer Wut.
Wie äußert sich diese unterdrückte Wut?
In Ersatzgefühlen. Anstatt wütend zu sein, sind Frauen dann enttäuscht oder beginnen zu weinen. Dadurch nutzen sie den Ärger aber nicht, um die Probleme zu lösen. Verdrängte Wut kann sich auch durch körperliche Beschwerden wie Magenschmerzen, Kopf- und Nackenschmerzen, Verspannungen, Verdauungs- oder Hautbeschwerden äußern.
Wie schaffe ich es denn, konstruktiv mit meiner Wut umzugehen?
Als erstes ist es wichtig, die Wut wahrzunehmen und sie als wertvolles Gefühl zu schätzen. Das gilt sowohl für die eigene Wut als auch für die der anderen Menschen. Wut trägt das Potenzial in sich, schwierige Situationen verändern zu können und in anderen Menschen etwas zu bewegen - indem man ihnen zeigt, welche Bedürfnisse man hat und sie von diesen Bedürfnissen betroffen macht. Wenn man erstmal verstanden hat, dass hinter jeder Wut ein unerfülltes Bedürfnis steht, geht es im Konfliktgespräch nicht mehr darum, den anderen abzuwerten. Deshalb ist es immer sinnvoll, sich zu fragen, woher die Wut kommt.
Was kann mir noch dabei helfen, Wut mehr wertzuschätzen?
Ich selbst frage mein Umfeld ab und an, welche meiner Verhaltensweisen es verärgert. Das tut vielleicht am Anfang weh, doch es hilft, denn dadurch lernt man nicht nur, dass Wut etwas Menschliches ist, sondern lernt auch sich selbst besser kennen.
Wohin mit der Wut, wenn das klärende Gespräch mit dem Gegenüber auf sich warten lässt?
Wenn ich wütend bin, jäte ich gerne Unkraut, rupfe es mit voller Kraft heraus. Das ist aber natürlich kein Ersatz für ein klärendes Gespräch. Ansonsten würde man sich nur abreagieren und die Wut nicht nutzen, um eine Verbesserung herbeizuführen. Ich versuche immer, der Wut vorzubeugen und schon den kleinen Ärger wahrzunehmen. Dann stelle ich mir Fragen wie "Warum ärgere ich mich?", "Wann fing es an?" oder "Wie stark ist mein Ärger?".
Und was mache ich, wenn ich im Gespräch wegen meiner Wut kritisiert werde?
Es ist wichtig, sein Gegenüber zu ermutigen, erstmal nur zuzuhören. Später kann man immer noch über das Gesagte diskutieren. Man sollte klarstellen, dass man das Gegenüber weiterhin gern hat, mit der Wut nicht verletzen will, sondern über die eigenen Bedürfnisse sprechen möchte. Viele haben das Gefühl, etwas tun zu müssen, wenn jemand von seiner Wut erzählt. Dabei braucht es das gar nicht - es geht in erster Linie ums Zuhören.