"Wer seinen Job verliert, durchläuft einen Trauerprozess"
Nicht nur der Tod eines geliebten Menschen, auch der Verlust eines Arbeitsplatzes kann dazu führen, dass man trauert. Was dagegen hilft.
Trauer um den Jobverlust: Die Psychologin und Reintegrationsberaterin Janske van Eersel von der Universität Utrecht über die Ergebnisse ihrer Studie - und Tipps zur Trauerbewältigung.
Frau van Eersel, Sie haben viel Kontakt zu Menschen, die ihren Job verloren haben. Wie reagieren diese darauf?
Sie werden wütend: "Das ist nicht gerecht! Ich war mit Herz und Seele bei meiner Arbeit!" Oder traurig: "Mir fehlen mein altes Leben, die Regelmäßigkeit und die Kollegen. Wer bin ich ohne Arbeit?" Wenn die negativen Gefühle anhalten, werden diese Menschen oft als depressiv abgestempelt, aber ich hatte das Gefühl, es ging um etwas ganz anderes.
Nämlich?
Mich erinnerte es an Trauer, wie beim Verlust eines geliebten Menschen. Der bittere Zufall will, dass ich vor einigen Jahren selbst entlassen wurde, und damals musste ich genau diesen Prozess durchlaufen - auch ich wurde wütend und traurig. Für meine neue Arbeit als Wissenschaftlerin ließ ich rund 550 Menschen, die ihren Job verloren hatten, ausführliche Fragebögen ausfüllen, unter anderem über ihren Gemütszustand. Und meine Vermutung bestätigte sich. Ein Teil der Gruppe trauerte. Und bei wiederum einem Teil von ihnen war das eine komplizierte Trauer; sie grübelten immer weiter darüber. Die Wut oder ihre Traurigkeit über die Situation wurde nicht weniger.
Was kann man machen, wenn man selbst wegen einer Entlassung wütend oder traurig ist?
Gönnen Sie sich die Zeit! Sie müssen sich von Ihrem mit Arbeit gefüllten Leben erst einmal lösen und die neue Situation akzeptieren. Das ist vor allem für Menschen mit wenig Selbstbewusstsein schwierig. Sie stürzen sich oft völlig in ihren Job, er bestimmt zu einem großen Teil ihre Identität. Wenn sie ihn verlieren, fallen sie in ein gigantisches Loch. Suchen Sie also nach anderen Dingen, die für Sie wichtig sind. Ich hatte zum Beispiel schon völlig vergessen, dass ich auch gern lese und mich mit Bildhauerei beschäftige. Als ich die Begeisterung dafür wiederentdeckte, nahm ich mich ganz anders wahr - und meine Trauer schwand dahin. Wenn Sie merken, dass Ihre Trauer oder Wut auch nach Monaten nicht abnimmt, sondern sogar intensiver wird, suchen Sie sich Hilfe. Eine kurze Trauertherapie kann zutage bringen, wo diese Gefühle genau sitzen, und die Verarbeitung dieser in Gang setzen.
Weiterlesen
Das Interview ist in Ausgabe 5/2018 von PSYCHOLOGIE bringt dich weitererschienen. Das komplette Heft können Sie im Shop nachbestellen.