Tiefenentspannung im Urlaub – wie geht das?
Um Stress im Urlaub zu vermeiden, gibt es ein paar Dinge, die man bei der Planung beachten sollte. Prof. Dr. Michael Stark verrät im Interview, wie Sie im Urlaub wirklich Kraft tanken.
Prof. Dr. Stark, die Sommerzeit naht, die Vorfreude auf den Urlaub ist bei vielen riesig. Doch nicht selten bedeutet der heißersehnte Urlaub vor allem eines: Frust! Woran liegt das?
Viele Leute machen Urlaub nach dem Statuswert des Reiseziels. Ihnen ist wichtig, von einem aufregenden Ort berichten zu können. Das ist dann natürlich mit großer Anstrengung verbunden, schließlich stehen da meist Ziele in Amerika oder Asien im Vordergrund, die sehr weit entfernt liegen. Hier kann selten wahre Erholung einsetzen. Außerdem wird zum Teil erst Urlaub genommen, wenn der Stress, wenn das Anstrengungsgefühl, schon so groß geworden ist, dass man denkt: "Jetzt bin ich urlaubsreif!" Statt sich zu erholen, baut der Körper dann ab. Viele kennen das: Man hat angestrengt durchgearbeitet und sobald man im Urlaub ist, wird man krank.
Sollte man dann, wenn man ohnehin schon erschöpft ist, überhaupt verreisen?
Man kann natürlich trotzdem wegfahren. Allerdings sollte man sich vorher genau fragen: Was ist denn für mich Erholung? Ich rate meinen Klienten immer, einen Urlaubsort zu wählen, den sie gut kennen. Außerdem sollte man ihn schnell, günstig und energiesparend erreichen können. Am besten fährt man an einen Ort, in dem man bereits das beste Eiscafé kennt, die besten Ausflugsziele oder den Weg zum Strand. Das Vertrautheitsgefühl gibt einem einen Schub, sofort in die Entspannung reinzukommen.
Wenn ich trotzdem mal wieder etwas Neues sehen möchte oder ich vielleicht nicht ganz so erschöpft bin, wie finde ich heraus, welcher Urlaub der richtige für mich ist?
Wer rechtzeitig Urlaub macht, kann nach einem ganz anderen Prinzip planen. Aber nicht jeder Urlaub eignet sich für jeden, das ist wichtig. Ich habe auf meiner Internetseite urlaubslust.info einen kurzen Persönlichkeitstest zusammengestellt, mit dem man herausfinden kann, welcher Urlaubstyp man ist. Denn je nachdem, wie stark unsere persönliche Grundstruktur im beruflichen und Lebensalltag gefordert ist, kommt es im Urlaub darauf an, den entsprechenden Ausgleich herzustellen. Wenn ich meinen eigenen Typ kenne, bringt mich das meinem erholsamen Urlaub schon ein gutes Stück näher.
Können Sie die verschiedenen Urlaubstypen kurz erklären?
Am besten erläutere ich das Prinzip einfach an konkreten Beispielen, denn der Urlaubstyp hängt häufig stark mit dem jeweiligen Beruf der Person zusammen. Angenommen, jemand hat eine sehr kontaktfreudige Tätigkeit, in der Gastronomie oder im Journalismus zum Beispiel, dann kann es für diese Person sehr erholsam sein, im Urlaub so wenig Leute wie möglich um sich zu haben. Drei Tage einfach nur am Strand liegen und lesen funktioniert dann ganz wunderbar. Wenn ich allerdings regulär eine eher monotone Aufgabe habe, ist vielleicht ein Abenteuerurlaub genau das richtige. Es empfiehlt sich generell, einen Gegenpol zum Alltag zu schaffen. Aber man muss auch aufpassen. Wenn man zum Beispiel sehr fürsorglich ist, kann ein Wellness-Urlaub toll sein – aber nur, sofern man sich wirklich darauf einlassen kann. Wenn das schwerfällt, kann ein Mittelweg die sinnvollere Lösung sein, zum Beispiel ein Gruppenurlaub, bei dem sich jeder um eine Sache kümmert. Balance ist das Zauberwort.
Nicht jeder kann sich einen tollen Urlaub leisten. Was mache ich, wenn der richtige Urlaub finanziell einfach nicht drin ist?
Man kann die Ferien auch zuhause verbringen, allerdings gibt es da Regeln, die man beachten sollte. Den Briefkasten in dieser Zeit zu leeren, ist verboten. Wichtige Post gibt es immer, aber alles kann mindestens eine Woche warten. Es empfiehlt sich, kleine Tagesausflüge zu machen, auch wenn das nur bedeutet, mit den Kindern mal auf einen anderen Spielplatz zu gehen. Oder man schlägt einfach mal ein Zelt im Wohnzimmer auf. Wichtig ist, dass man sich ganz bewusst von seinem Alltag abgrenzt.
Sie haben 2013 eine eigene psychotherapeutische Praxis gegründet und zuvor schon viele Jahre praktiziert. Welche Rolle spielt zunehmender Stress bei den Krankheitsbildern Ihrer Patienten?
Das nimmt massiv zu. Das sieht man ja auch an den Krankheitszahlen, die die großen Krankenversicherungen regelmäßig veröffentlichen. Es wird immer beruhigend gesagt, die zunehmenden Zahlen seien darauf zurückzuführen, dass die Diagnostik besser wird. Das ist aber nur die halbe Erklärung. Ich glaube, die andere Hälfte ist wirklich auf unsere wachsende Anspannung zurückzuführen.
Glauben Sie, dass ein guter Urlaub im Jahr ausreicht, um Herr über den eigenen Stress zu werden?
Nein, auf keinen Fall. Da müssen wir etwas in den Alltag einflechten.
Und wie geht das?
Indem man sich Rituale schafft. Ohne die geht es nicht! Also regelmäßig nach dem Arbeitstag noch mal eine Runde joggen gehen zum Beispiel. Bewegung hilft, das ist ja mittlerweile bekannt. Was auch gut funktioniert: Auf dem Heimweg nach der Arbeit immer eine bestimmte Musik zu hören, die einem ein Wohlgefühl verschafft. Das sollte dann aber auch wirklich immer die gleiche sein, damit der ritualhafte Erholungscharakter einsetzen kann.
Also, wenn ich es im Alltag schaffe, richtig entspannt zu bleiben, dann lohnt sich auch der Abenteuerurlaub am Ende der Welt?
Könnte man so sagen!
Prof. Dr. Michael Stark ist Professor für Sozialpsychiatrie und Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und psychotherapeutische Medizin sowie psychologischer Psychotherapeut. Ein Schwerpunkt seiner Praxis ist das Chronische Fatigue Syndrom (CFS) – in einem ganzheitlichen Ansatz unterstützt er seine Patienten, die Balance zwischen Anspannung und Erholung zu finden.
Weiterlesen
Wie Sie Ihren Urlaub dann auch richtig genießen, lesen Sie in der neuen Ausgabe 4/2019 von PSYCHOLOGIE bringt dich weiter. Das Heft können Sie jetzt am Kiosk kaufen oder im Shop bestellen.