"Seine Intuition kann man nicht verlieren"
Jeder hat sie, aber woher kommt sie eigentlich und wie können wir sie uns (noch) besser zunutze machen? Ein Gespräch über Intuition mit der Psychologin und Psychotherapeutin Pavithra Novak.
Was ist Intuition eigentlich genau?
Intuition ist eine Information, die über das hinausgeht, was wir mit dem Verstand erfassen können, Ahnungen, eine Art von Vorhersehung. Häufig ist Intuition das Ergebnis von hochkomplexen Vorgängen, die auf einer somatischen Ebene stattfinden. Dabei geht es um Erfahrungen aus der Vergangenheit, die blitzschnell miteinander verrechnet werden - häufig mit sehr präzisem Ergebnis.
Wo sitzt die Intuition?
Ich würde Intuition am ehesten mit Bauchgefühl gleichsetzen. Wir spüren in unseren Körper hinein und nutzen die ganze Kapazität unseres Nervensystems, um Dinge zu erfassen. Kaum einer weiß, wie ausgefeilt unser Nervensystem ist und wie viel an Informationen abseits vom Gehirn bei uns ankommt. 90 Prozent unseres Nervensystems sind sensorisch und nur 10 Prozent sind motorisch. Es sind also nur 10 Prozent dazu da, um Muskelimpulse zu senden. Der Rest ist einfach ein riesiger Sensor. Wir sind also darauf ausgerichtet zu spüren. Physiologisch gesehen kommen die Informationen tatsächlich im sogenannten Bauchhirn zusammen, welches die Größe eines Katzenhirns hat. Wenn wir uns also nicht nur auf unseren Verstand verlassen, sondern die Wahrnehmung auf unsere gesamte Körper-Seele ausdehnen, können wir uns ein einen ganz neuen Zugang zu einer hochinteressanten Quelle von Informationen erschließen.
Wie gelingt mir dieser Zugang?
Das Besondere an der Intuition ist, dass sie weit über das Emotionale hinausgeht. Um unterscheiden zu können zwischen Gefühl und Intuition, ist es wichtig, sich in seinem Körper zu beheimaten. Dabei helfen Meditation und andere körperorientierte Praktiken. In der Meditation lernen wir uns kennen, unsere Verhaltensmuster und was in unserem Geist generell alles vorgeht. Diese geistige Schulung ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen, um seine Intuition erkennen zu können.
Eine weitere ist "Trial and Error". Wenn wir unserer Intuition nicht folgen und meinen, es selbst besser zu wissen, läuft es oft schief. Und dann stöhnen wir frustriert auf, weil wir ja eigentlich vorher schon wussten, was die Intuition uns geraten hatte. Aus diesen Situationen lernen wir jedoch am meisten. Denn nach und nach kriegen wir immer besser raus, auf sie zu hören. Man kann seine Intuition auf spielerische Art und Weise erstmal in gefahrlosen Situationen im Alltag üben, sich beim Einkaufen z.B. fragen, an welcher Kasse man schneller drankommt - und dann gucken, ob man auf die „richtige“ Intuition gehört hat.
Hat jeder eine Intuition?
Jeder hat diese Fähigkeit und wenn wir alle besser darauf hören würden, würde die Welt ganz anders aussehen. Die Intuition an sich kann man auch nicht verlieren, den Zugang zu ihr dagegen schon. Intuition stellt sich unterschiedlich dar. Die einen hören sie als Stimme. Die anderen sehen Bilder vor sich. Wieder andere riechen etwas. Da gibt es ganz viele Kanäle. Deshalb ist es wichtig sich zu fragen, was der eigene, bevorzugte Zugang ist.
Was prägt die Intuition?
Vor allem Umgebungsfaktoren. Eine große Rolle spielt die kindliche Prägung. Wurde das Kind in dieser Hinsicht gefördert oder wurde alles nicht-kognitive eher verneint in der Familie? Schlimme Erfahrungen in der Kindheit bewirken z.B., dass wir aus einer Notsituation heraus unsere Sinne automatisch schärfen müssen oder komplett abstumpfen. Durch Beziehungstraumatisierungen wird das Kind oft gezwungen, überwachsam zu sein, um sich schützen zu können. Solche Situationen können das Bauchgefühl und den Zugang dazu einerseits um so mehr fördern. Andererseits kann es aber auch zur Haupt-Überlebensstrategie werden, nur noch alles mit dem Kopf abzuhandeln und gar keine Impulse mehr aus dem ganzheitlicher Selbst zuzulassen.
Kann die Intuition sich auch irren?
Nein. Manchmal hört man nur auf den falschen Impuls. Das liegt dann aber nicht an der Intuition, sondern ist allein mein Bier (lacht). Manchmal sagt einem die Intuition Sachen, die man überhaupt nicht machen will. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass meine Intuition am Ende immer recht hatte. Einige meiner intuitiven Entscheidungen waren mit Schmerz verbunden, doch dadurch bin ich gewachsen. Es hat sich also gelohnt.