"Nur mit Musik kann ich meine Gefühle erklären"
Kevin Imbrechts alias „Illuminine“ ist Komponist und hat in seinem dritten Album das verarbeitet, was ihn in den letzten Jahren viel Kraft gekostet hat: Bei ihm wurde eine Angststörung und das Asperger-Syndrom diagnostiziert. Uns erzählte er, wie Musik ihm hilft, mit dem Leben klarzukommen.
Sie sagen, in Ihrem Album stecken die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre. Was ist in der Zeit passiert?
Vor einem Jahr hat man eine generalisierte Angststörung (GAS) bei mir festgestellt, Asperger dagegen erst kürzlich. Da dauerte es über zwölf Monate, bis die endgültige Diagnose vorlag. Diese Ungewissheit kostete Kraft! Mein Leben war und ist schwierig. Ich dachte immer, ich bin irgendwie komisch, ein bisschen anders als der Durchschnittsmensch. Medikamente und Therapiestunden machen es heute leichter. Doch bevor ich diese Hilfe annahm, stand es kritisch um mich. Ich konnte meinen eigenen Gedanken nicht entfliehen, bekam Panikattacken und es war schwer für mich, in der „realen“ Welt zu bleiben. Ich habe in zwei Parallelwelten existiert – eine seltsame Erfahrung. Auch für mein Umfeld war das nicht leicht. Sie sahen mich hadern und konnten mir doch nicht helfen. Es ist eine Herausforderung, jemandem mit einer psychischer Erkrankung beizustehen, denn wo soll man auch anfangen? Heute muss ich hinnehmen, dass diese Diagnosen zu mir gehören. Das war das Härteste: sich selbst und die eigenen Grenzen zu akzeptieren.
Wie hat Musik Ihnen durch diese Zeit geholfen?
Musik ist alles für mich! Im Alltag fällt es mir schwer, mich in Worten mitzuteilen. Meist bleiben meine Gedanken dann im Kopf stecken, und ich bekomme sie nicht heraus. Nur über die Musik kann ich erklären, was in mir vorgeht. Ich denke viel nach, aber eher auf emotionaler Ebene. Meine Musik ist daher fast ausschließlich instrumental, weil ich nicht mit Worten kommuniziere. Meine Gedanken sind dabei oft melancholisch, traurig oder ängstlich.
Wie spiegelt Ihr neues Album „#3“ Ihre Entwicklung wider?
Es ist wie ein Sound-Tagebuch und das Ergebnis meiner Reise, einem dunklen Kapitel in meinem Leben. Es ist auch eine Erinnerung an die Person, die ich war und die ich jetzt bin. Wenn ich die Songs höre, kann ich meine Gefühle und Ängste von damals nachempfinden, aber ich fühle mich nicht so wie beim Schreiben und Aufnehmen der Stücke. Das ist ein Unterscheid. Ich bin froh, dass diese dunkle Zeit hinter mir liegt.
Wann haben Sie mit dem Komponieren angefangen?
Als ich 15 Jahre alt war, habe ich das erste Mal richtig Musik gemacht. Ich erinnere mich gerne an meine allererste Gitarre, die ich mit meinem Vater gekauft hatte. Die Gitarre hatte etwas Magisches, ich konnte nicht aufhören zu spielen. Bis heute nimmt sie eine wichtige Rolle in meinem Leben ein: Ich könnte nicht ohne meine Gitarre oder die Musik leben. Als ich die Griffe lernte, begann ich auch erste Songs zu schreiben und akustische Klangwelten zu komponieren. Wenn ich einen Song fertig hatte, habe ich mich immer besser gefühlt. Trotzdem habe ich über zehn Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass das Musikmachen die beste Art der Therapie für mich ist.
Wie ist Ihr Leben heute, nachdem Sie diesen Weg gegangen sind?
Ich bin nun ein anderer Mensch. Auch weil ich in den zwei Jahren so viel über mich selbst gelernt habe. Heute nehme ich meine Krankheiten an. Denn nur weil man GAS oder Asperger bei mir diagnostiziert hat, bedeutet das nicht, dass ich mich abschotten oder Angst vor allem haben muss. Am Anfang ist es hart, den eigenen Dämonen entgegenzutreten, aber es lohnt sich! Ich habe daraus gelernt und meine Stärken entdeckt. Etwa, dass ich eine guter Musiker bin, ich mein eigenes melodisches Universum kreieren kann. Außerdem liegt es mir besonders, Dinge zu planen. So bin ich immer auf alles vorbereitet – auch dank Asperger und GAS.
Kann Ihre Musik auch anderen Betroffenen mit Angststörung oder Asperger helfen?
"Illuminine" ist mein sicherer Ort: Etwas das immer existiert, dem ich zuhören kann, wenn es mir schlecht geht. Die Musik bringt mich runter, ich fühle mich leichter durch sie. Ich hoffe, das spüren auch die Zuhörer. Das Album soll ihnen auch Gelegenheit geben, ihr Leben zu reflektieren oder mal 45 Minuten abzuschalten. Wie eine Therapiestunde eben. Darüber hinaus hoffe ich, dass meine Geschichte und mein Umgang mit Krankheit, die Menschen inspiriert. Denn darüber sprechen hilft! Es ist unmöglich, alles zu verstecken und seine Gefühle für sich zu behalten. Mein Rat: Redet mit Leuten, denen ihr vertraut. Niemand muss sich schämen, wenn er professionelle Hilfe annimmt. Die Therapeuten wurden schließlich dazu ausgebildet, um Menschen zu helfen.
Kevin Imbrechts lebt in der Nähe von Brüssel und macht seit Jahren als "Illuminine" Musik. Am 2. November veröffentlicht er sein drittes Album "#3" (ferryhouse productions) feat. Adam Bryanbaum Wiltzie, einen Vorgeschmack darauf gibt die Single "Dear, Utopia". Sehen Sie hier das Video.