Leben, wie ich es will
Wie glücklich wir sind, hängt auch davon ab, wie selbstbestimmt wir unser Leben gestalten – weiß Ralf Senftleben, langjähriger Experte in der Persönlichkeitsentwicklung.
Unser Lebenserfolg hängt von vielen Dingen ab. Nicht alle haben wir in der Hand, unsere Herkunft zum Beispiel, die Zeit, in der wir aufwachsen, oder auch, welche Menschen uns als Kind begegnen. Trotzdem können wir durchaus beeinflussen, wie zufrieden und erfolgreich wir sind – durch unsere Entscheidungen. Dadurch, welche Ausbildung wir wählen, bei welchem Arbeitgeber wir uns bewerben, welche Freunde wir uns aussuchen, welchen Partner. Ob wir die Bequemlichkeit wählen oder die harte Arbeit.
Jede Wahl hat Konsequenzen, und das macht es so schwer, sich zu entscheiden. Aber wenn man es doch tut, und zwar bewusst, nennt man das: Selbstbestimmung. Das ist oft nicht einfach, denn es bedeutet auch, seine eigene Macht und den Einfluss, den man auf
sein Leben hat, zu akzeptieren. Hat man Erfolg, ist man gern dafür verantwortlich. Scheitert man jedoch, fällt es schon weniger leicht, zur eigenen Verantwortung zu stehen, nach dem Motto: "Ich hatte ja keine Wahl." Dabei hat man die immer, auch in Situationen, die scheinbar von außen diktiert werden. "Es geht darum, dass wir uns als Regisseurin oder Regisseur unseres Lebens sehen sollten", schreibt Psychologin Eva Wlodarek in ihrem Buch Vertage nicht dein Glück, ändere dein Leben. "Erst wenn uns völlig klar ist, dass wir allein Urheber dessen sind, was wir erfahren, gewinnen wir die volle Kontrolle über unser Leben."
Trotzdem: Um möglichst wenig Risiko einzugehen, neigen wir dazu, die einfachste und sicherste Wahl zu treffen.
Und verneinen für uns die Möglichkeiten, die unsicher und unklar wirken. So machen wir uns selbst vor, wir seien "gefangen" – von den Umständen, unseren beschränkten Möglichkeiten, unseren Verpflichtungen. Selbstbestimmung ist auch deshalb schwierig, weil wir dafür oft unsere Bequemlichkeit und Angst – denn die ist unser eigentliches Gefängnis – überwinden müssen. Wie sagte schon der berühmte Psychoanalytiker Alfred Adler: "Die größte Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird."
Leben jenseits des Tunnelblicks
Selbstbestimmung bedeutet, mutig zu sein – und unter allen Optionen frei und ungezwungen eine auszuwählen. Ohne das begründen zu müssen. Einfach, weil man es will. Welche Möglichkeiten sich uns bieten, hängt aber auch von unseren früheren Entscheidungen ab. Wer einen Kredit für ein Haus abbezahlen muss oder ein kleines Kind hat, kann nicht mehr ganz frei entscheiden. Kind oder Haus können großes Glück bringen, aber schränken unsere Möglichkeiten auch ein. Selbstbestimmung heißt daher auch: Wähle das, was du willst, und sei bereit, den Preis dafür zu zahlen – und sei es den einer größeren Ungewissheit.
Deswegen sind Neugier und Offenheit die Qualitäten, die Selbstbestimmung perfekt ergänzen. Da sie uns erlauben, die Möglichkeiten, die außerhalb der Grenzen unseres gewohnten Lebens liegen, als solche zu erkennen und zuzulassen. Banal gesagt: Vielleicht gibt es in einem anderen Land ein Gericht, das Sie spontan zu Ihrem Lieblingsgericht erklären würden, wenn Sie es denn endlich mal probierten. Oder einen Menschen in Ihrer Nähe, den Sie noch nie beachtet haben – der sich aber, wenn Sie es endlich täten, als neuer bester Freund entpuppen könnte.
Innerer Reichtum
Wenn wir unsere Selbstbestimmung weiter stärken und ausbauen wollen, gilt es, zu wachsen und sich zu entwickeln. Und dazu müssen wir unseren inneren Reichtum vermehren, unser Wissen und unsere Fähigkeiten. Wie die Fähigkeit, mit Menschen gut zurechtzukommen. Oder die Fähigkeit, Vorhaben systematisch anzugehen und auch bis zum Ende durchzuhalten. Und nicht zuletzt die Fähigkeit, die eigenen Ängste zu erkennen und zu überwinden. Denn wer innerlich wächst, dem bieten sich automatisch mehr Möglichkeiten – und nicht nur Möglichkeiten, für die wir einen hohen Preis zahlen. Sondern Möglichkeiten, die das eigene Leben auf breiter Front besser und uns zugleich noch selbstbestimmter machen.
Für ein selbstbestimmtes Leben lässt sich viel tun, am wirkungsvollsten aber sind die kleinen, täglichen Taten.
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Über den Autor
Ralf Senftleben hat vor mehr als 20 Jahren das erfolgreiche Onlinemagazin Zeit zu leben gegründet, das für seine rund 125 000 Newsletter-Abonnenten psychologische Themen behandelt wie Lebensgestaltung, Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation und Achtsamkeit. Mehr dazu auf zeitzuleben.de