Emotionen im Job? Hab ich im Griff!
Gefühle sind wichtige Signale, aber gerade in beruflichen Situationen können sie uns auch sehr im Weg stehen: als Unsicherheit zum Beispiel. Doch den Umgang mit Emotionen kann man trainieren – und so sein Selbstvertrauen stärken, sagt Psychologin Johanna Disselhoff.
Was ist der Sinn von Emotionen?
In der Psychologie sprechen wir von den sieben Basisemotionen. Das sind die Emotionen, die jeder Mensch zeigen und verstehen kann, unabhängig von seinem kulturellen Hintergrund, seiner Bildung oder Erziehung: Freude, Trauer, Wut, Angst, Ekel, Verachtung und Überraschung. Sehen wir beispielsweise Angst im Gesicht eines anderen sehen, führt das unweigerlich dazu, dass wir uns umschauen und aufmerksamer werden – wir klären ab, ob Gefahr droht. Zeigt jemand Wut, lässt uns das meist automatisch zurückweichen.
Unsere Gefühle signalisieren aber nicht nur, was gerade in uns vorgeht, sie zeigen auch deutlich, wenn eine persönliche Grenze überschritten wurde. So kann angesichts einer Präsentation, die wir halten sollen, Angst in uns entstehen, weil wir nicht so gern vor so vielen Menschen sprechen. Oder wir können wütend werden, wenn uns jemand grundlos kritisiert und so angreift. Manchmal haben wir auch schon ein schlechtes Bauchgefühl, ohne dass wir benennen können, warum. Denn unser Gehirn verarbeitet viel mehr, als wir bewusst wahrnehmen können. Unsere Emotionen können ein Schlüssel zu dieser unbewussten Verarbeitung sein. Daher ist es sehr wichtig, die eigenen Gefühle ernst zu nehmen und zu verstehen – und so auf Dauer anders mit ihnen umgehen zu können.
Das ist natürlich nicht immer einfach, aber es lohnt sich. Emotionen wollen uns nicht behindern oder unsere Karriere torpedieren. Sie sind viel mehr unsere Lotsen, die uns zeigen, wenn wir uns überfordern, wenn Situationen nicht gut für uns sind oder wir einen nächsten Entwicklungsschritt gehen sollen.
Diese Übung hilft, die eigenen Emotionen besser wahrzunehmen und zu verstehen:
1. Fragen Sie sich mehrmals am Tag, wie Sie sich gerade fühlen und warum das so ist.
2. Wenn Sie merken, dass ihre Laune sinkt, Sie wütend werden oder ängstlich, dann schreiben Sie kurz auf, wie Sie sich gerade fühlen.
3. Fragen Sie sich dann, bis zu welchem Punkt Sie sich noch gut gefühlt haben und ab wann Ihre Stimmung gekippt ist. Was ist in diesem Moment passiert? Haben Sie eine negative Nachricht erhalten? Haben Sie sich über einen Kommentar geärgert? Fühlen Sie sich von Ihrer Arbeitsaufgabe überfordert? Wie wurde die Emotion ausgelöst?
Um konkret an Ihrem Umgang mit Gefühlen im Job zu arbeiten, haben wir drei typische Situationen für Sie vorbereitet – inklusive Lösungsstrategie.
SITUATION 1: Ich fühle mich ungerecht behandelt und merke, wie in mir die Wut hochkocht.
Jemand hat Sie falsch dargestellt, nimmt Sie nicht ernst oder übergeht Sie. Ihre Wut zeigt in dieser Situation, dass jemand Ihre Grenzen überschritten hat und für Sie, aus irgendeinem Grund, zu weit gegangen ist.
Lösung: Wut (und auch Angst) werden durch das Stresshormon Adrenalin ausgelöst. In diesem Zustand sind Sie zwar körperlich sehr leistungsfähig, aber können nicht unbedingt klar denken. Immer wenn wir uns extrem ärgern, sind wir in unseren Denkprozessen deutlich eingeschränkt, unsere Wahrnehmung ist eingeengt und wir sind auf „Angriff“ gepolt. Daher ist es in diesem Fall sehr wichtig, dass Sie sich zunächst mindestens 20 Minuten Zeit nehmen, um sich zu beruhigen. Machen Sie einen Spaziergang oder lenken sich anderweitig ab – das Wichtigste ist, gedanklich zur Ruhe zu kommen und nicht weiter über den Auslöser Ihrer Wut nachzudenken.
Schauen Sie sich danach die Situation noch einmal mit Abstand an: Warum hat sie Sie so aufgewühlt? Ist jemand zu weit gegangen oder hat Ihnen Unrecht getan? Oder haben Sie vielleicht einfach überreagiert und merken jetzt, dass die Situation gar nicht so dramatisch ist?
Fühlen Sie sich immer noch ungerecht behandelt, sprechen Sie dieses Thema unbedingt an – idealerweise gegenüber der involvierten Person selbst. Bleiben Sie dabei bei Ihrer Wahrnehmung und formulieren Sätze wie "Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt" oder "Ich hatte den Eindruck, dass Sie mich missverstanden haben". Geben Sie Ihrem Gegenüber konkrete Ansätze, wie Sie sich die Kommunikation oder Zusammenarbeit zukünftig vorstellen, zum Beispiel "Ich möchte in Zukunft rechtzeitig informiert werden" oder "Bitte sprechen Sie Ihr Vorgehen vorher mit mir ab".
SITUATION 2: Im Gespräch mit meiner Chefin oder meinem Chef kommen mir die Tränen.
Weinen werten die meisten Menschen als Reaktion auf Trauer oder Traurigkeit. Aber wir weinen ganz oft auch aus Überforderung, Angst, Unsicherheit oder Wut. Weinen ist ein angeborener Mechanismus, der uns vor Überlastung schützt. Deshalb fühlen wir danach auch meist erleichtert, selbst wenn sich an dem eigentlichen Problem nichts geändert hat.
Lösung: Generell hilft es sehr, wenn man sich systematisch auf Besprechungen vorbereitet. Steht also ein Gespräch mit Ihrem oder Ihrer Vorgesetzten an, notieren Sie sich vorher Ihre aktuellen Projekte. Listen Sie genau auf, woran Sie gerade alles arbeiten, egal wie nebensächlich oder klein es Ihnen erscheinen mag. So haben Sie einen Überblick über das, was Sie gerade tun und können das im Gespräch besser kommunizieren. Außerdem sollten Sie Ihre aktuellen Probleme aufschreiben und wo Sie Unterstützung aus der Chefetage brauchen. Sich so vorzubereiten ist gerade dann sehr hilfreich, wenn Sie nicht genau wissen, worum es in dem Gespräch gehen soll. Sie sind so auf mögliche Kritik eingestellt und haben zugleich Ihre Arbeitsleistung präsent. Das macht sicherer und Sie fühlen sich nicht überrumpelt. Wenn Sie ein bestimmtes Anliegen haben, dann schreiben Sie auch dieses klar auf und schauen im Gespräch immer wieder auf Ihre Aufzeichnungen, um es nicht zu vergessen.
Sollten Ihnen trotz dieser Vorbereitung im Gespräch die Tränen kommen, probieren Sie folgende Notfallstrategien:
1. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Füße. Stellen diese auf den Boden und spüren Sie, wie Sie fest mit dem Boden verbunden sind und er sie trägt. So bringen Sie sich schnell in einen Zustand der inneren Sicherheit und erinnern sich daran, dass Ihnen nichts passieren kann, egal was gerade besprochen wird. Üben Sie diese Technik immer mal wieder, auch wenn Sie sie noch nicht brauchen. So können Sie im Ernstfall schneller darauf zurückgreifen.
2. Reicht das nicht, versuchen Sie sich etwas Zeit zu verschaffen, um sich zu beruhigen. Sie können zum Beispiel sagen, dass Sie einen wichtigen Termin vergessen haben und kurz in Ihr Büro müssen, um diesen abzusagen. Oder Sie bitten um eine Toilettenpause und beruhigen sich dort. Eleganter ist aber, wenn Sie es schaffen, in der Situation zu bleiben.
SITUATION 3: Ich traue mich nicht, mich in einer Besprechung zu Wort zu melden.
Wir haben Angst vor den Folgen, wenn wir uns zu Wort melden. Vielleicht werden wir ausgelacht, vielleicht ist unser Einwand irrelevant oder wir machen uns lächerlich. Leider wirkt das Sich-Nicht-Beteiligen in Besprechungen aber eher desinteressiert als unsicher. Deshalb ist es so wichtig, zu lernen, mit dieser Angst umzugehen und sich trotzdem zu Wort zu melden.
Lösung: Machen Sie sich zuerst klar, warum Sie solche Angst haben: Befürchten Sie, etwas Blödes zu sagen, belächelt zu werden und sich bloßzustellen? Oder meinen Sie, sowieso nichts Sinnvolles beizutragen zu haben und dass Ihre Meinung irrelevant ist? Vielleicht gibt es auch einen ganz anderen Grund für Ihre Unsicherheit. Um das zu reflektieren, schreiben Sie am besten einfach drauf los, wie es Ihnen in diesen Situationen geht. Was fühlen Sie? Welche Gedanken haben Sie? Dieses assoziative Schreiben führt oft zu interessanten Ergebnissen, die man mit bloßem Nachdenken nicht erzielt.
Im nächsten Schritt sollten Sie sich fragen, warum es Ihnen eigentlich wichtig ist, Ihre Unsicherheit zu überwinden. Was motiviert Sie? Was können Sie erreichen, wenn Sie das schaffen? Malen Sie sich aus, was es Ihnen beruflich bringen wird, wenn Sie in Zukunft souveräner auftreten. Am besten in einer Visualisierungsübung: Schließen Sie die Augen und stellen sich ganz bildlich vor, wie es aussehen wird, wenn Sie diesen Schritt geschafft haben. So verankern Sie Ihr Ziel und motivieren sich, Ihre Unsicherheit anzugehen.
Danach folgt der wichtigste Schritt: Stellen Sie sich Ihrer Angst. Denn nur so kann sie kleiner werden – sofern Sie vorher eine gute Strategie erarbeitet haben. Üben Sie das in alltäglichen, harmlosen Situationen, sich etwa in der Mittagspause mehr in die Gespräche mit Kollegen einbringen. So werden Sie sicherer und trauen sich dann auch, sich in Besprechungen zu Wort zu melden.
Zur Autorin:
Dr. Johanna Disselhoff ist freiberufliche Psychologin und Karriere-Beraterin. Sie unterstützt Frauen dabei, beruflich sichtbar zu werden und im Job endlich die Wertschätzung zu erhalten, die sie verdienen. Mit ihrem kostenlosen Podcast „Weiblich erfolgreich“ vermittelt sie fundierte psychologische Übungen und Tipps, um beruflich durchzustarten.