"Eines Morgens war mein Mann einfach tot"
Vor sechs Jahren verlor Monique (45) vollkommen unerwartet ihren Mann. Wie macht man weiter, wenn nichts mehr ist, wie es mal war?
Noch nie hatte ich mich mit jemandem so verbunden gefühlt wie mit Rob. Wir waren seit acht Jahren ein Paar, bauten an unserer Zukunft und hatten ein Haus gekauft, das bereit war zum Einzug, nur die Küche fehlte noch. Dort wollten wir unser gemeinsames Leben verbringen und mit etwas Glück ein Baby bekommen.
Sonntags fuhr Rob immer mit Freunden Rad. An jenem Tag bekam er dabei plötzlich Herzprobleme. Ein Herzinfarkt, wie sich herausstellte. Er kam sofort ins Krankenhaus für eine Ballondilatation, das Dehnen der Arterie mit einem Katheter. Das klingt heftig, aber laut der Ärzte gab es keinen Grund zur Besorgnis. Nach einigen Tagen entließ man ihn aus dem Krankenhaus, und er war sehr froh, wieder zu Hause zu sein.
Am Samstag wollten wir zum Renovieren ins neue Haus. Freitagabend haben wir noch zusammen ferngesehen und sind früh ins Bett, weil wir am nächsten Morgen zeitig aufstehen wollten. Rob schlief unruhig, wälzte sich ständig hin und her. Damit ich auch noch ein wenig schlafen konnte, legte ich mich ins Gästezimmer. Das machte ich öfter, ich hatte also kein komisches Gefühl dabei.
Am nächsten Morgen wurde ich wach, weil es im Haus so still war. Wirklich totenstill. Rob stand meist vor mir auf, aber ich hörte nicht sein übliches Poltern. Schon als ich die Schlafzimmertür öffnete, war mir alles klar. Er sah aus, als würde er schlafen – nur mit offenen Augen. Die Notfallsanitäter versuchten es noch mit dem Defibrillator, aber das Urteil des Arztes war eindeutig: "Ihr Mann lebt nicht mehr." Die spätere Obduktion ergab, dass er unter Herzrhythmusstörungen gelitten hatte. Er war 48 und hatte gesund gelebt, aber sein Herz war einfach nicht stark genug gewesen.
In den ersten Tagen hatte ich viel zu viel zu tun, um den Verlust zu spüren. Ständig kam Besuch, jede Nacht blieb jemand bei mir. Ich war vor allem mit Organisieren beschäftigt. Für das Begräbnis zog ich ihm seinen Hochzeitsanzug an. Rob stammte aus Italien, er liebte schöne Anzüge.
Alles sorgfältig vorzubereiten tröstete mich. Es war vor allem seltsam, das nicht mit ihm teilen zu können. Natürlich habe ich auch geweint, und das nicht zu knapp, vor allem, als ich ihn im Krematorium zurücklassen musste. Das war wirklich schrecklich.
Meine Freundinnen unterstützten mich sehr, jede auf ihre Weise. Eine half mir, die Finanzen zu ordnen. Eine andere war einfach da und schwieg gemeinsam mit mir. Mir fiel auf, dass Menschen, die mir nicht so nahestanden, manchmal genau das Falsche sagten. Dann bekam ich so ein spirituelles Gefasel zu hören, im Sinne von: "So etwas geschieht nicht umsonst." Leute, ich habe meinen Mann verloren, nicht meinen Verstand!
Noch lange schreckte ich jeden Morgen aus dem Schlaf hoch. Als würde mir immer wieder aufs Neue bewusst, dass Rob tot war. Ich war wie benebelt, musste jeden Tag immer wieder neu angehen. Kaffee kochen, noch einmal kurz ins Bett, ein paar Cracker essen … Alles ging nur in kleinen Schritten. Es fiel mir sehr schwer, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen; meine Zukunftsträume hatten sich mit Robs Tod in Luft aufgelöst.
Ein halbes Jahr danach war ich zum ersten Mal wieder in Italien. Das war eine sehr traurige Erfahrung. Alles fühlte sich anders an. In seiner Familie und bei seinen Freunden hatte ich auf einmal keinen Platz mehr. Ohne Rob gehörte ich nicht mehr richtig dazu. Das zerriss mir das Herz. Ich verstand es einfach nicht.
Mit einer Freundin reiste ich danach zwei Monate durch Südamerika. Es war herrlich, mal raus zu sein, in einem Land, in dem niemand etwas über mich wusste. Für eine kurze Weile war ich nicht mehr die Witwe. Aber der Nebel, in dem ich steckte, hatte sich noch nicht ganz gelichtet.
Ich wollte, dass Italien in meinem Leben wieder eine Rolle spielte. Das Land war Robs Geschenk an mich gewesen. Daher besuchte ich vor Ort eine Sprachschule. Drei Monate wohnte ich in einem venezianischen Kloster, in dem mich keiner kannte. Ein winziges Zimmer, eine Gemeinschaftsküche, WLAN … Mehr brauchte ich nicht. Zum ersten Mal fand ich Worte dafür, was Robs Tod für mich bedeutete. Jede Woche schrieb ich etwas in meinen Blog, eine Art digitale Ansichtskarte.
Das Schreiben half mir, alles ein wenig zu sortieren. Worum ging es und geht es in meinem Leben? Womit will ich weitermachen, was mag ich, und was passt nicht mehr? Indem ich bei Dingen innehielt, die mir wichtig sind, lernte ich wieder zu genießen. Erst in Venedig spürte ich, dass ich wirklich weiterleben wollte.
Ihn im Krematorium zurücklassen zu müssen war das Schlimmste
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Robs Tod hat mein Leben komplett verändert, wie ein Tsunami, der alles mitgerissen hat, nur mich nicht. Menschen, die einen lieben, sorgen dafür, dass man etwas bedeutet. Aber was macht man, wenn so jemand nicht mehr da ist? Mit Robs Tod habe ich mich eigentlich sofort abgefunden – vor allem, als ich hörte, was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht gestorben wäre: eine Art Vogel im Käfig, gefangen in einem kranken Körper.
Ich habe keine großen Träume mehr. Dass es mich gibt, reicht. Zu wissen, dass es einfach so, aus heiterem Himmel, vorbei sein kann, hilft mir dabei, Entscheidungen zu treffen. Wenn ich etwas möchte, mache ich es einfach. Ausprobieren, erforschen, reisen. Ich versuche, etwas aus dem Leben zu machen, jeden Tag aufs Neue.
Rob ist nicht weg, ich erzähle ihm regelmäßig, wie es mir geht und was ich erlebe. Wenn ich an ihn denke, bringt er mich immer noch zum Lachen. Aber ich schlafe nicht mehr in seinen T-Shirts und trage auch seine Socken nicht mehr. In unserem alten Haus steckten zu viele Erinnerungen, so habe ich endlich den Schritt gewagt, es zu verkaufen und umzuziehen. Inzwischen bin ich im Wesentlichen dankbar für die Jahre, die uns vergönnt waren. Manchmal setze ich mich auf den Stuhl, auf dem er immer saß. Mit einem Lächeln.
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Moniques Geschichte ist in Ausgabe 1/2018 von PSYCHOLOGIE bringt dich weitererschienen. Das komplette Heft können Sie im Shop nachbestellen.