"Deutschland befindet sich in einer Zeit des Erwachens"
Es brodelt in unserem Land - dabei geht es uns so gut wie nie. Was also ist nur los mit uns? Psychologe Stephan Grünewald hat die Psyche unserer Nation untersucht
Etwas hat sich geändert in diesem Land. Obwohl es den Menschen vergleichsweise gut geht, macht sich Nervosität und Unzufriedenheit breit, der Zusammenhalt schwindet, radikale Parteien erfahren Zulauf und Wut und Hass werden offen artikuliert. Was wühlt die Menschen so auf? Und was sind die unbewussten psychologischen Mechanismen dafür? Stephan Grünewald, Gründer des Rheingold Instituts in Köln und "Psychologe der Nation" beschreibt in seinem neuen Buch "Wie tickt Deutschland?" die Quellen der Wut, Ohnmacht und Erschöpfung auf Basis Tausender Tiefeninterviews - und gibt hier spannende Einblicke in die Psyche Deutschlands (in Kooperation mit KolibriMAG).
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass in den letzten zehn Jahren irgend etwas anders geworden ist in unserem Land? Was genau ist das?
Grünewald: Deutschland war lange Zeit eines der letzten Paradiese. Ein von Mutter Merkel gut behütetes Auenland mit wirtschaftlicher Stabilität, niedriger Arbeitslosigkeit und sozialem Frieden. Die Krisen der Welt, der Terror, die neuen Despoten oder die Gefahren der Globalisierung und Digitalisierung wurden außerhalb der Landesgrenzen verortet – im Grauenland. Die schon lange bestehenden Probleme im Inneren des Landes wurden so lange Zeit auszublenden versucht. Angesichts von Brexit, Flüchtlingskrise, Trump und AFD, der Hetze in den sozialen Medien, der immer stärker werden Wut und Orientierungslosigkeit vieler Menschen ist die Gesellschaft aus ihrer saturierten Auenland-Seligkeit aufgewacht. Es rumort in der Bevölkerung, die Unzufriedenheit und die Zerrissenheit im Inneren wächst. Wir befinden uns in einer Zeit des Erwachens.
Woher kommt der zunehmende Argwohn vieler Menschen, von Politik und den Eliten verraten zu werden und zu wenig Wertschätzung zu erfahren? Was sind die Quellen dieser Wut und Ohnmacht?
Viele Menschen erleben unsere Gesellschaft als Zweiklassen-System. Sie haben das Gefühl, dass die Eliten sich nicht mehr solidarisch für bessere Lebensverhältnisse der Schwächeren einsetzen, sondern sich moralisch über die gemeinen Menschen erheben, die immer noch rauchen, Alkohol trinken, Fleischberge auf ihrem Grill braten, Süßkram oder Chips verzehren, Diesel fahren und Unterschichts-TV gucken. Wenn Teilen der Bevölkerung jedoch die Anerkennung entzogen wird, wenn sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr in den Städten finden und Sorge haben, dass im Zuge der digitalen Transformation auch ihr Arbeitsplatz verschwinden wird, fühlen sie sich zunehmend fremd und unwillkommen im eigenen Land. Und das erzeugt Wut.
Welchen Anteil hat die Digitalisierung an diesem Ohnmachtsgefühl?
Die Digitalisierung hat zwei Gesichter. Sie macht mich ohnmächtig, wenn alles automatisiert wird und die künstliche Intelligenz unsere Arbeitskraft ersetzt. Sie macht uns allmächtig, wenn wir ein Smartphone in Händen halten und per Fingerwisch das Weltwissen ergoogeln, geschäftliche Transaktionen tätigen oder mit der App Tinder Liebespartner finden können. Das Smartphone ist ein modernes Zepter individueller Macht, das dem Einzelnen verspricht, beinahe gottgleich die Welt im Handstreich beherrschen zu können. Aber mit der Option, dass alles in Sekundenschnelle auf Knopfdruck gemanagt werden kann, schwindet die Duldsamkeit und die Akzeptanz für den Alltag. Denn der ist immer noch analog….
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