Andere unterstützen: ein weibliches Konzept?
Frauen und Männer reagieren sozial ganz anders, wenn ein Tag stressig war oder sehr schön. Das schlussfolgerte Organisationssoziologin Lieke ten Brummelhuis, nachdem sie 24 Ehepaare und 64 (enge) Kollegenpaare gebeten hatte, ihr Leben daheim und bei der Arbeit in Tagebüchern zu evaluieren.
Frau ten Brummelhuis, was zeigen die Tagebücher?
Einen Einblick ins emotionale Leben der Teilnehmer. Wir haben ihnen direkt nach Feierabend einige Fragen gestellt, um zu sehen, wie ihr Arbeitstag gewesen ist. "Hatten Sie mit anstrengenden Kunden zu tun, stressige Deadlines, schwierige Gespräche? Und konnten Sie dabei auf die Unterstützung der Kollegen zählen?" Eine zweite Tagebuchseite wurde kurz vorm Schlafengehen ausgefüllt. Die Fragen dort drehten sich um den Abend mit der Familie: "Hatten Sie ein offenes Ohr für Ihren Partner/Ihre Partnerin? Konnten Sie umgekehrt auch Ihre eigenen Probleme bei ihm/ihr loswerden?"
Und? Hat sich ein stressiger Tag anders auf Frauen ausgewirkt als auf Männer?
Absolut. Kamen Männer an einem solchen Abend nach Hause, zogen sie sich zurück. Ihre Frauen gaben an, dass sie an diesen Tagen wenig emotional unterstützt wurden. Sie hingegen blieben unterstützend, auch wenn sie selbst einen stressigen Tag hatten. Ihre Männer schrieben abends ins Tagebuch, sie hätten bei ihren Frauen ein so offenes Ohr gefunden wie immer.
Und wenn es am Arbeitsplatz richtig schön war?
Dann geben Frauen die Freude daran weiter. Sie sind viel mehr als ihre Ehemänner in der Lage, ihre ganze Familie mit der positiven Energie anzustecken, die sieaus ihrem Arbeitstag gezogen haben. Das Schöne daran ist: Frauen sorgen so auch dafür, dass sich ihr Partner mehr öffnet und angenehmer kommuniziert. So schafft es die Frau, an einem gelungenen Tag die gesamte Familienqualität zu verbessern.
Funktioniert das auch umgekehrt, gute Energie also von daheim zum Arbeitsplatz zu tragen?
Das haben wir in einer zweiten Studie untersucht. Kollegen, die eng zusammenarbeiten, schrieben morgens auf, wie ihr Tag zu Hause begann, und abends, wie der Arbeitstag war. Die Tagebücher wurden nebeneinandergelegt, und frappierend oft sahen wir dort das Gleiche: Frauen waren weiterhin an ihren Kollegen interessiert, auch wenn ihr Tag schlecht anfing; Männer standen Kollegen nach einem solchen Morgen viel seltener zur Verfügung. War es ein fröhlicher Morgen, nahmen vor allem Frauen das Gefühl mit an den Arbeitsplatz, und das verbesserte letztendlich die gesamte Teamqualität.
Männer kümmern sich an miesen Tagen besser um sich?
Das könnte eine der Schlussfolgerungen sein. Für alles und jeden verfügbar zu sein ist natürlich anstrengend. Andererseits: Ist Rückzug immer das Beste? Oder hilft Teilen doch mehr? Eine andere Erklärung ist: Sich um die Gruppe zu kümmern ist schon seit Zehntausenden Jahren typisch weiblich. Frauen neigen daher vielleicht von Natur aus mehr zu emotionaler Verfügbarkeit.
How role jugglers maintain relationships at home and at work: A gender comparison, Journal of Applied Psychology, noch nicht erschienen
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