5 Schlaflosigkeitstypen - erkennen Sie sich wieder?
Nächtliches Herumwälzen, tagsüber müde und gereizt sein: Wer mit Schlaflosigkeit kämpft, kennt das. Dennoch unterscheiden sich schlechte Schläfer sehr voneinander, wie eine Studie zeigt
Sie wollen schlafen, aber es klappt einfach nicht. Oder Sie wachen früh auf und können nicht mehr einschlafen. Fast jeder hat mal so eine Nacht. Doch für jeden Zehnten ist schlecht schlafen eher die Regel als die Ausnahme. Bei den Betroffenen sind drei oder mehr schlaflose Nächte pro Woche normal, und das schon seit mindestens drei Monaten. Wem es so ergeht, der leidet offiziell unter chronischer Schlaflosigkeit, auch Insomnie genannt. "Der Begriff Schlaflosigkeit weckt den Eindruck, die betroffene Person würde gar nicht schlafen, aber das stimmt nicht", sagt Eus van Someren, Leiter der Abteilung "Schlaf und Kognition" des Niederländischen Gehirninstituts und Professor für Neurophysiologie an der Vrije Universiteit Amsterdam. "Wer unter Schlaflosigkeit leidet, schläft durchaus ein wenig, es kommt einem selbst aber nicht so vor. Das liegt daran, dass Schlaflose während des Tiefschlafs sehr unruhig sind und oft aufwachen. Vergleichen Sie es mit einem U-Boot: Das Teleskop taucht immer wieder auf, um zu schauen, ob die Luft noch rein ist."
URSACHENFORSCHUNG
Schlaflosigkeit wirkt sich auf den Alltag aus: So sind Schlaflose oft erschöpft und reizbar, manchmal weniger widerstandsfähig und haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Studien zeigen überdies, dass es einen Zusammenhang zwischen dauerhafter Schlaflosigkeit und der Genese von Depressionen und Angststörungen gibt. Was genau passiert im Gehirn? Dieser Frage geht van Someren gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern bereits seit zwölf Jahren in einer Langzeitstudie nach. Bisher wurde Schlaflosigkeit in verschiedene Probleme unterteilt (nicht einschlafen können, nachts aufwachen), aber das brachte die Forscher nicht weiter, da die Beschwerden schlafloser Menschen recht unterschiedlich sind. "In all den Jahren hat sich gezeigt, dass es schwierig ist, in dem Teil des Gehirns, das den Schlaf reguliert, eine Konstante zu finden", erklärt van Someren.
Vielleicht sollte die Ursache für Schlafprobleme also nicht an dieser einen Stelle im Gehirn gesucht werden. In einer neuen Studie schlug das Team daher einen neuen Kurs ein und konzentrierte sich auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich der Charaktereigenschaften guter und schlechter Schläfer.
26 EIGENSCHAFTEN
"In verschiedenen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass Charaktereigenschaften in der Anatomie unseres Gehirns festgelegt sind", erklärt Forscherin Tessa Blanken, die ihre Dissertation über dieses Thema schrieb. Aufmerksam sein, über Probleme und Gefühle grübeln, Dinge perfekt machen wollen und sich nicht gut entspannen können sind den Forschern zufolge Beispiele für Eigenschaften, die teilweise von der Gehirnanatomie bestimmt werden. Schlaflosigkeit könnte dann durch ungünstige Veranlagungskombinationen in Gehirnstrukturen und -funktion verursacht werden, die sich jeweils in diversen Charaktereigenschaften manifestieren. Auf Grundlage bereits vorliegender Studien und Fachliteratur erstellten die Forscher eine Liste mit insgesamt 26 Eigenschaften, die in Zusammenhang mit schlechtem Schlaf gebracht werden. Anschließend füllten 4300 Personen die Onlinefragebögen über ihre Schlafgewohnheiten, ihre Lebensgeschichte, Stimmung, Krankheiten und ebendiese 26 Charaktereigenschaften aus. Aus diesem gigantischen Datenberg konnten fünf Persönlichkeitsprofile schlechter Schläfer destilliert werden (siehe unten).
Als die Teilnehmer mit Schlafstörungen fünf Jahre später die Fragebögen erneut ausfüllten, zeigte sich, dass neun von zehn in dieselbe Gruppe fielen wie zuvor. Somit können die Merkmale als stabil betrachtet werden, was die Suche nach neuen Therapien möglich macht. "Das ist ein Wendepunkt in der Erforschung von Schlaflosigkeit", sagt van Someren. "Natürlich wollen auch wir am liebsten sofort wissen, welche Behandlung bei welchem Schlaflosigkeitstyp wirkt, aber die Studien laufen alle noch." Auffällig am Ergebnis findet er, dass die verschiedenen Schlafstörungen – nicht einschlafen können, nicht durchschlafen oder zu früh aufwachen – bei allen fünf Typen etwa gleich häufig vorkommen und gleich ernst sind. Menschen können also dieselben Schlafbeschwerden haben und dennoch zu einem anderen Schlaflosigkeitstyp gehören.
INDIVIDUELLER WEG
Zurzeit gilt die kognitive Verhaltenstherapie als bevorzugte Behandlung bei Schlafproblemen. Bei mehr als der Hälfte der schlechten Schläfer lassen sich die Beschwerden so mindern, jedoch längst nicht bei allen. Dank der neuen Erkenntnisse verstehen die Forscher besser, warum die Therapie bei chronisch Schlaflosen anschlägt oder nicht – und welche Zusatzbehandlungen sinnvoll sein könnten. "Wir wissen jetzt, welche Faktoren Schlaflosigkeit beeinflussen, und können Untersuchungen und Therapie daher gezielter einsetzen", sagt Blanken. "Es mag nicht bei allen Typen eine Rolle spielen, aber wir haben den Eindruck, dass der größte Teil der Menschen mit einer Veranlagung für Schlaflosigkeit es nicht schafft, Stress und emotionale Spannungen während der Nacht loszuwerden", sagt van Someren. Darin könnte auch die Lösung liegen: An seinem Gen-Paket kann man nichts ändern, aber man kann durchaus lernen, nachts weniger zu grübeln. "Die Einteilung in fünf Typen zeigt jedoch auch deutlich, dass der Weg in die Schlaflosigkeit für jeden Menschen sehr unterschiedlich ist, und das könnte ebenso für den Weg zurück zu einer guten Nachtruhe gelten."
SCHLECHTE SCHLÄFER: DIESE TYPEN GIBT ES
TYP 1: NEIGUNG ZUM GRÜBELN
• Wenn Sie erst einmal aus der Bahn geworfen wurden, fangen Sie sich nicht so schnell wieder.
• Sie denken viel nach und analysieren Ereignisse (immer wieder).
• Sie fragen sich oft, ob Sie etwas anders hätten machen sollen.
• Sie fühlen sich regelmäßig ängstlich oder labil.
• Wenn Sie schlafen gehen, verspüren Sie ein unruhiges, nervöses Gefühl im Körper.
Dieser Typ leidet an Neurotizismus, ist oft trübsinnig und nervös. Von allen schlechten Schläfern gehören 19 Prozent zu diesem Typ: 20Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer.
Mögliche Behandlung: Meditation, wegen der beruhigenden Wirkung.
TYP 2: STRESSEMPFÄNGLICH
• Sie fühlen sich im Allgemeinen glücklich.
• Bevor Sie ins Bett gehen, sind Sie besorgt, ob Sie wohl einschlafen werden.
• Wenn Sie im Bett liegen, sind Sie geistig aktiv und aufmerksam.
• Abschalten fällt Ihnen schwer.
Dieser Typ schläft nicht leicht ein, wenn ein unangenehmes Ereignis stattgefunden hat, der Tag stressig war oder am nächsten Tag etwas Besonderes ansteht. Von allen schlechten Schläfern gehören 31 Prozent zu diesem Typ: 33 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer.
Mögliche Behandlung: Auch diesem Typ kann Meditation helfen.
TYP 3: SCHWERMÜTIG
• Sie haben das Gefühl, vom Leben überwältigt zu werden.
• Sie haben oft das Gefühl, Ihr Ziel nicht erreichen zu können.
• Es fällt Ihnen oft schwer, etwas zu genießen.
• Ihre Stimmung ist selten ausgesprochen positiv oder begeistert.
• Sie fühlen sich im Allgemeinen nicht besonders glücklich.
Dieser Typ hat ein höheres Risiko, eine Depression zu entwickeln. Ob es die Schwermütigkeit ist, die diese Menschen am Schlaf hindert, ist (noch) nicht bekannt. Von allen schlechten Schläfern gehören 15 Prozent zu diesem Typ: 12 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer.
Mögliche Behandlung: Helfen könnte eine Therapie zur Stimulierung positiver Emotionen.
TYP 4: PROBLEME MIT LEBENSEREIGNISSEN
• Sie sind nicht sehr stressbeständig.
• Sie haben dauerhafte Schlafstörungen infolge eines wichtigen Lebensereignisses (wie etwa einer Scheidung oder Kündigung).
• Sie haben früher Schlimmes erlebt.
• Sie fühlen sich durch Müdigkeit körperlich geschwächt.
Dieser Typ hat öfter als durchschnittlich in seiner Kindheit oder Jugend etwas Traumatisches erlebt. Von allen schlechten Schläfern gehören 20 Prozent zu diesem Typ: 22 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer.
Mögliche Behandlung: Dieser Gruppe könnte Traumaverarbeitung helfen.
TYP 5: EMOTIONAL FLACH
• Sie reagieren in der Regel unberührt auf positive Ereignisse.
• Wenn Ihnen etwas Gutes widerfährt, hat das kaum Einfluss auf Sie.
• Sie sind weder freudig erregt, noch gibt es Ihnen Energie, wenn Sie bekommen, was Sie wollten.
• Sie denken wenig über Ihre Emotionen nach, sowohl über die positiven als auch die negativen.
Dieser Typ bleibt recht unberührt. Ereignet sich in seinem Leben etwas Schlimmes, schläft er genauso gut oder schlecht wie sonst. Von allen schlechten Schläfern gehören 15 Prozent zu diesem Typ: 13 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer.
Mögliche Behandlung: Helfen könnte auch hier eine Therapie zur Stimulierung positiver Emotionen.
Quellen u. a.: T. Blanken u. a., Insomnia disorder subtypes derived from life history and traits of affect and personality, The Lancet Psychiatry, 2019 / J. Benjamins u. a., Insomnia heterogeneity: Characteristics to consider for data-driven multivariate subtyping, Sleep Medicine Reviews, 2017 / P. Jansen u. a., Genome-wide analysis of insomnia in 1 331 010 individuals identifies new risk loci and functional pathways, Nature Genetics, 2019