Wie motiviere ich mein Kind?
Erziehungsexperte Steven Pont gibt Tipps, wie Sie Ihrem Kind helfen können, ein Growth Mindset zu entwickeln – und damit Spaß daran, neue Dinge zu lernen
Sie setzen alles daran, gemeinsam mit Ihrer Tochter pünktlich zur Tennisstunde zu kommen. Warum trödelt sie bloß so? Als Sie endlich am Tennisplatz stehen, wird Ihnen plötzlich klar: Sie ist gar nicht mehr motiviert und macht alle Übungen mehr oder weniger lustlos. Zu Hause sagt Ihre Tochter: "Ich lerne das sowieso nie." Wie sollen Sie darauf reagieren?
Sie möchten, dass Ihr Kind lernt, Erfahrungen macht und sich dadurch entwickelt. Aber für alles, was ein Kind tut, braucht es eine gewisse Motivation. "Motivation" stammt vom lateinischen Wort "movere", das "in Bewegung setzen" bedeutet. Es gibt zweierlei Arten von Motivation: intrinsische und extrinsische. Wenn Ihr Kind Tennis spielt, weil ihm dieser Sport gefällt, ist es intrinsisch motiviert und es kostet – das Kind selbst und die Eltern – weniger Mühe. Spielt ein Kind vor allem Tennis, weil es den Eltern so gefällt, spricht man von einer extrinsischen Motivation.
An Entwicklung glauben
Eine der wichtigsten Forscherinnen im Bereich Motivation ist die US-Psychologin Carol Dweck. Ihrer Ansicht nach haben Eltern viel Einfluss auf die Motivation ihrer Kinder. Wir können einen Beitrag dazu leisten, diese intrinsischer werden zu lassen. Dweck entdeckte, dass Kinder ein Fixed Mindset oder ein Growth Mindset haben. Bei einem Fixed Mindset glaubt ein Kind, dass all seine Fähigkeiten bereits festgelegt sind, es geht somit davon aus, nichts entwickeln zu können. Ein Kind mit einem Growth Mindset lebt in der Überzeugung, Fortschritte machen zu können. Das berühmteste Kind mit so einem Growth Mindset ist vermutlich Pippi Langstrumpf mit ihrer "Das habe ich noch nie gemacht, also werde ich es wohl können"-Mentalität. Ein Kind mit einem Fixed Mindset würde so nie denken. Wenn man etwas nicht kann, dann kann man es eben nicht. Basta.
Akzeptieren Sie Fehler
Eltern können das Mindset ihrer Kinder beeinflussen, je nachdem, wie sie auf deren Fehler reagieren. Wenn Eltern Misserfolge als eine Form des Lernens sehen, kultivieren sie bei ihren Kindern ein Growth Mindset. Drängen Eltern jedoch auf fehlerfreie Leistungen und schenken dem Kind zum Beispiel nur positive Aufmerksamkeit, wenn es gute Noten schreibt, erhöht sich das Risiko, dass das Kind ein Fixed Mindset entwickelt. Das Kind sieht Fehler dann nicht als etwas, das zum Lernprozess gehört, sondern als eine Demütigung. Kinder mit einem Fixed Mindset schauen deshalb öfter bei anderen ab, geht aus einer Studie der chinesischen Hangzhou Normal University hervor. Sie sind nicht intrinsisch motiviert, sich zu entwickeln und neue Dinge zu lernen, sondern vor allem motiviert, zu zeigen, was sie können, indem sie gute Noten schreiben, also extrinsisch motiviert.
Wenn wir Kinder dazu bringen wollen, mit einer offenen Haltung neue Sachen zu lernen, werden wir dafür sorgen müssen, dass sie auch Fehler machen dürfen, ohne sofort Ärger mit ihren Eltern zu bekommen. Neue Sachen auszuprobieren und dabei scheitern zu dürfen ist der schnellste Weg zu einem Growth Mindset.
Vergleiche
Wenn Ihr Kind also nicht mehr Tennis spielen möchte, könnte das bedeuten, dass es glaubt, nicht über die nötigen Fähigkeiten zu verfügen. In diesem Fall hilft es vielleicht, wenn Sie ihm erklären, dass es nichts gibt, worin es nicht besser werden kann. Bloß sollte es sich dabei mit sich selbst vergleichen und nicht mit anderen. Macht die Tennisstunde nur dann Spaß, wenn man der oder die Beste ist, geht nur ein einziges Kind gern zur Tennisstunde: das beste. Wenn Ihr Kind das von Ihnen annimmt, trödelt es beim nächsten Mal vielleicht etwas weniger.
So helfen Sie Ihrem Kind, ein GROWTH MINDSET zu entwickeln:
- Seien Sie geduldig. Geben Sie Ihrem Kind Zeit, etwas Neues auszuprobieren.
- Schätzen Sie die Initiative Ihres Kindes. Möchte Ihre Tochter Ihnen dabei helfen, Löcher in die Wand zu bohren, lassen Sie sie ruhig – mit Ihrer Hilfe – machen. Bringen Sie Ihrem Kind bei, Risiken richtig einzuschätzen.
- Erkennen Sie Durchhaltevermögen an, und äußern Sie das auch. "Wie gut, dass du dein Referat schon fertig hast."
- Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Zeigen Sie, dass auch Sie neue Sachen machen, die fehlschlagen – und Sie das nicht wütend oder frustriert macht.
- Werden Sie nicht wütend, wenn Ihr Kind einen Fehler macht. Nicht jeder Kuchen muss gelingen, der Versuch zählt: "Wie gut, dass du es probiert hast!"
- Fragen Sie Ihr Kind, was es aus "einem Fehler" gelernt hat: "Was würdest du beim nächsten Mal anders machen?"
- Bringen Sie Ihrem Kind bei, dass man Dinge auf verschiedene Weise angehen kann. Findet Ihr Kind die Informationen für ein Referat nicht im Internet oder in der Bibliothek – wen aus seinem Umfeld könnte es dann zum Beispiel anrufen?
- Erklären Sie Ihrem Kind, wie das Gehirn funktioniert: Je mehr man versucht, desto klüger wird man. Und man lernt nichts, wenn man immer nur dasselbe macht.
Quellen u. a.: C. Dweck u. a., What predicts children’s fixed and growth intelligence mind-sets? Not their parents’ views of intelligence but their parents’ views of failure, Psychological Science, 2016 / L. Zhao u. a., Praising young children for being smart promotes cheating, Psychological Science, 2017