Trauern in Corona-Zeiten
Unter Corona-Bedingungen ist es extra schwer, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Was Sie tun können, um den Trauerprozess besser zu durchlaufen
Abstand halten müssen von anderen Menschen oder gar nicht erst an einer Beerdigung teilnehmen können, weil die Gruppe klein bleiben muss: Das ist eine unnatürliche Art des Abschiednehmens, sagt Herman de Mönnink, Traumapsychologe und Verlustexperte. Viele Menschen, die in diesen Zeiten einen Trauerfall erleben, können der Beerdigung aufgrund der Corona-Maßnahmen ungewollt nicht beiwohnen. Das kann große Folgen für den Trauerprozess haben, sagt de Mönnink.
Warum ist Nähe so wichtig beim Abschiednehmen?
Durch den physischen Abschied kann man die Realität besser an sich heranlassen. Wir haben denselben natürlichen Trauerinstinkt wie andere Säugetiere. Affen, Elefanten, Katzen und Hunde nehmen auch körperlich und mit ihren Sinnesorganen Abschied. Sie kommen näher, schauen, schnuppern, lecken und fühlen. Ein wichtiger Teil des Trauerprozesses, denn so fühlt man erst wirklich, dass jemand nicht mehr da ist. Wenn man nur hört, dass jemand gestorben ist, bleibt es unwirklich. Außerdem wollen wir am Lebensende eines Menschen da sein, um zu trösten und Halt zu geben. Das hilft bei der Verarbeitung. Dieses Bedürfnis müssen viele Menschen derzeit unterdrücken.
Welche Folgen hat das?
Wenn Sie nicht auf eine natürliche, körperliche Weise von einem Menschen Abschied nehmen können, der Ihnen nahesteht, kann es sein, dass Sie in Ihrem Trauerprozess stecken bleiben. Möglicherweise treten dadurch psychische und körperliche Beschwerden auf wie Stress, Depressionen oder Schlafprobleme. Aber das bedeutet nicht, dass sich alle Menschen festfahren, die nicht normal Abschied nehmen können.
Was kann man tun, um den Trauerprozess gut zu durchlaufen?
Wenn Sie einen sterbenden Menschen nicht besuchen dürfen, können Sie eventuell die Pflegekräfte bitten, die letzten Augenblicke mit der Kamera festzuhalten. So haben Sie zumindest die Wahl, sie anzuschauen. Das kann helfen, sich der Unumkehrbarkeit zu stellen, Sie können (nachträglich) Emotionen freien Lauf lassen und Abschiedsworte sagen. Suchen Sie Antworten auf Fragen, die Sie noch haben ("Hat er oder sie leiden müssen?"). Vielleicht erhaschen Sie noch einen Blick auf etwas, das Sie kennen, ein Schmuckstück vielleicht; auch der Anblick des oder der Verstorbenen selbst kann Ihnen helfen, den Tod des geliebten Menschen besser zu akzeptieren. Überlegen Sie, was Sie selbst brauchen, um Abschied zu nehmen, auch wenn das vielleicht erst in einem Jahr stattfinden kann: Organisieren Sie eine Abschiedszeremonie mit einigen lie- ben Menschen, teilen Sie Erinnerungen an einem Ort, der für den verstorbenen Menschen wichtig war. So schaffen Sie trotz des Abstands die Nähe, die wir für unsere natürlichen Trauerbedürfnisse brauchen.
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