So klappt Online-Dating
Online zu flirten ist längst Alltag. Aber wie kriegt man es hin, dass der Richtige einen im Netz auch findet? Sechs psychologische Erkenntnisse, die Ihre Chancen auf ein Date im echten Leben erhöhen
Eigentlich ist unser Gehirn nicht für Onlinedating gemacht: Es geht ihm alles zu schnell dort. Blättert man durch die Profile einer digitalen Partnervermittlung, poppen innerhalb einer Minute etwa 20 Singles auf. "Diesem Entscheidungsprozess ist das Gehirn nicht gewachsen", sagt der niederländische Statistiker Erik van der Burg. Zusammen mit Jessica Taubert, einer Hirnforscherin aus Australien, untersuchte van der Burg, wie beliebt verschiedene Fotos von Männern und Frauen auf einer australischen Datingsite sind. Schnell stellte sich heraus, dass bei der Zahl der Likes, die diese Singles bekamen, nicht nur ihr Äußeres eine Rolle spielte, sondern auch, welches Profilfoto die User davor betrachtet hatten. "Wenn Teilnehmer einen gut aussehenden Mann oder eine hübsche Frau gesehen hatten, fanden sie die Person auf dem Foto danach ebenfalls attraktiv", sagt van der Burg. Und: "Hatten sie gerade das Profil eines unattraktiven Menschen angeschaut, lehnten sie die Person auf dem Foto danach öfter ab."
Woran liegt das? Laut Hirnforscherin Taubert funktioniert der visuelle Teil des Gehirns zu träge, um zwei Fotos binnen weniger Sekunden verarbeiten zu können. Sieht man sich sofort nach einem Profilfoto schon das nächste an, vermischen sich die beiden Bilder sozusagen im Gehirn, schreibt sie in ihrer Studie. Ein Foto eines gut aussehenden Menschen verliert also an Glanz, wenn man kurz davor einen weniger hübschen gesehen hat. So kann die Person auf dem zweiten Bild bis zu 15 Prozent an Attraktivität einbüßen - oder auch gewinnen.
"Wer sich schnell durchklickt, dem kann es passieren, dass er jemanden kontaktiert, den er eigentlich nicht attraktiv findet", sagt van der Burg. Seiner Meinung nach gäbe es nur ein Mittel gegen diesen "Swipe-Effekt": Geduld. "Warten Sie nach jedem Foto fünf oder sogar zehn Sekunden, bis Sie zum nächsten übergehen."
Van der Burg ist nur einer von vielen Forschern, die das Dating im Internet kürzlich erforscht haben. Onlinepartnervermittlungen sind für Psychologen eine Goldmine, da die Interaktion der User unmittelbar offenbart, wie wir unsere Partner auswählen. Daher werden Millionen Profile großer Datingsites immer öfter - anonymisiert - studiert. Forscher beschäftigen sich mit Fragen wie: Welche Fotos funktionieren am besten? Wie stellt man das perfekte Profil zusammen? Wie sieht eine gute Selbstbeschreibung aus? Wie lang sollte die erste Nachricht sein?
Sechs wissenschaftliche Erkenntnisse, die Ihnen helfen, eine perfekte Datingstrategie zu entwickeln:
- UMGEBEN SIE SICH MIT FREUNDEN
Suchen Sie nach einem Partyschnappschuss oder einem Gruppenfoto aus dem Urlaub - am besten eins, auf dem Sie freundschaftlich den Arm um die Schulter eines anderen gelegt haben. So ein Bild gehört laut Khalid Khan definitiv auch in Ihr Onlineprofil! Der britische Forscher von der Queen Mary University of London analysierte kürzlich 835 Studien zum Onlinedating. Darunter viele Experimente, in denen Versuchspersonen Fotos von Männern und Frauen auf ihre Attraktivität hin beurteilten. Aus diesen geht hervor, dass man vor allem Eindruck macht, wenn man der Mittelpunkt einer Clique ist. Auch das Berühren einer anderen Person im Bild soll die eigene Attraktivität steigern. Dass ein Gruppenfoto neben dem normalen Profilfoto die eigene Beliebtheit pusht, bestätigt auch der Psychologe Marcelino Lopez. Er hat ein Buch über Onlinedating geschrieben und selbst eine Datingsite gegründet. "Ein solches Foto vermittelt den Eindruck eines sozialen Menschen. Andere finden denjenigen okay, also wird er das auch sein - so denken die meisten Leute unbewusst." Dass ein Foto, auf dem jemand berührt wird, viel bringt, findet er fraglich. "Obwohl man damit schon zeigt, dass man sozial dominant ist und keine Angst hat, andere Menschen freundschaftlich anzufassen. Womöglich funktioniert es." - TRAGEN SIE ETWAS ROTES
Es ist schon länger bekannt, dass ein rotes Kleid oder ein roter Pulli auf Fotos attraktiver macht. Aber diese Farbe kann noch mehr: Jemand, der Sie betrachtet, wenn Sie rot gekleidet sind, wird wagemutiger und unternimmt öfter einen romantischen Annäherungsversuch. Das entdeckte der britische Psychologe Andrew Elliot. An der University of Rochester ließ er Hunderte Studierende Fotos von Männern und Frauen beurteilen. Die fotografierten Personen trugen Kleidung in unterschiedlichen Farben. Männliche Studierende sollten angeben, was sie die weiblichen Singles bei einem Treffen fragen würden. Frauen in Blau bekamen meist eine eher allgemeine Frage wie "Was studierst du?". Ging es um jemanden in roten Klamotten, war die Annäherungsweise oft romantischer, etwa: "Was machst du denn auf einer Datingsite?"
Elliot schlussfolgert, dass Frauen in roten Kleidern mehr Chancen auf ein Date haben. Diese "Theorie vom roten Kleid" findet auch Psychologe Lopez ganz "witzig". Er fügt jedoch hinzu, dass es hier um kleine Effekte gehe, die nicht entscheidend seien. "Man sollte lieber ein Foto nehmen, auf dem man lacht, als eins, auf dem man zwar Rot trägt, aber griesgrämig guckt." - ERZÄHLEN SIE, WER SIE SIND
Der ideale Profiltext dreht sich um Ihre Person – und nicht um die Wünsche, die Sie an einen Partner haben. Das geht aus einer Studie des britischen Psychologen Richard Wiseman von der University of Hertfordshire hervor. Wiseman ließ 80 Männer und Frauen kurze Kontaktanzeigen schreiben. Eine Gruppe wählte die Texte aus, die sie am meisten ansprachen. Es zeigte sich, dass nicht der Inhalt das Wichtigste war, sondern das Verhältnis, in dem persönliche Informationen zur Person zu ihren Erwartungen an einen potenziellen Partner standen. Texte, die etwa 70 zu 30 gewichtet waren (70 Prozent persönlich, 30 Prozent Erwartungen), bekamen die meisten Reaktionen, und zwar unabhängig davon, ob sich jemand besonders originell präsentierte oder nicht. Die erfolgreichste Anzeige lautete wie folgt: "Attraktive Frau mit gutem Job, Humor und einer Vorliebe für Sport, Geselligkeit, Musik und Reisen, sucht gleichgesinnten und aufrichtigen Mann, um gemeinsam eine schöne Zeit zu haben." - ÄNDERN SIE IHREN NAMEN
Zugegeben, ein wenig manipulativ ist das schon. Aber wenn Sie beim Durchblättern der Profile ganz hin und weg sind von "Jan 36", kann es helfen, Ihren eigenen Namen in "Jana 33" zu ändern. Denn: Menschen finden Namen attraktiver, in denen sie sich selbst erkennen. Khalid Khan verweist in seiner Übersichtsstudie auf ein Experiment der University of Houston, in dem Studenten eine fiktive Geschichte zu lesen bekamen.
Rund die Hälfte erfuhr darin etwas über einen Protagonisten namens Kerry Stalin. Die andere Hälfte las dieselbe Geschichte, aber der Name der Hauptfigur ähnelte ihrem eigenen. Ein Teilnehmer namens Robert Greer las zum Beispiel über einen Bob Greggar. Studenten aus der zweiten Gruppe fanden die Geschichte allgemein interessanter und fühlten sich mehr zur Hauptfigur hingezogen. Khan vermutet, dass dieser Effekt auch fürs Onlinedating gilt. "Schauen Sie sich die Namen der Personen an, die Sie attraktiv finden, und wählen Sie einen vergleichbaren Namen. Schicken Sie jemandem dann eine Nachricht, macht die vielleicht mehr Eindruck."
Lopez zweifelt an Khans Vermutung, aber: "Natürlich kann der Name einer Person, die Sie kontaktieren, und der Ihrem Namen ähnelt, ein netter Aufhänger für ein Gespräch sein", sagt er. "Vor allem, wenn es um einen originellen Profilnamen geht, wie etwa den Titel eines französischen Films. Dann können Sie eine Nachricht schicken wie: Hallo, ich sehe, dass wir dasselbe Hobby haben: französische Filme." - ZUM AUFTAKT KURZ UND BÜNDIG
Gleicht Ihre erste Nachricht einem Roman, bringt Ihnen das beim Onlinedating keine Extrapunkte. Das zeigt eine Analyse von Millionen E-Mails auf Ok-Cupid, einer Datingsite, deren Angaben anonymisiert von Wissenschaftlern verwendet werden dürfen.
Im Gegenteil: Die erfolgreichsten Nachrichten sind überraschend kurz. Frauen, die Männern eine erste E-Mail von höchstens 50 Zeichen schickten - das ist etwa ein Satz -, sind am beliebtesten. Knapp jede dritte bekam auch eine Antwort. Sparen Sie sich die Mühe, einen Sermon von etwa 500 Zeichen, also ungefähr zehn Sätzen, zu schreiben, denn die Chance auf Antwort sinkt um etliche Prozent: Je länger die Nachricht, desto seltener gibt es eine Reaktion.
Männer dürfen etwas ausführlicher sein. Nachrichten von 100 Zeichen bekamen die meisten Reaktionen: 17 Prozent bekamen von den angeschriebenen Frauen eine Antwort. Der Inhalt der Nachrichten wurde jedoch nicht analysiert. "Aber eine lange erste Nachricht auf einer Datingsite ähnelt scheinbar einem ersten Treffen, bei dem jemand gleich seine ganze Lebensgeschichte erzählt", schreibt Forscher Christian Rudder von Ok-Cupid. Psychologe Lopez teilt diese Einschätzung.
"Im Allgemeinen schreckt das Leute eher ab", weiß er aus eigener Erfahrung. "Als ich kurz auf einer Datingsite angemeldet war, ließ ich lange Nachrichten links liegen, weil sie mir das Gefühl gaben, ich müsste eine ausführliche E-Mail zurückschicken. Darauf reagiere ich später, dachte ich. Aber aufgeschoben ist eben sehr oft auch aufgehoben." - NICHT HARD TO GET SPIELEN
Wer absichtlich damit wartet, auf eine Nachricht zu antworten, um nicht allzu bedürftig zu wirken, verpasst möglicherweise einen netten Kontakt. Verzögerte Rückmeldungen wirken sich nämlich negativ auf den Verlauf eines E-Mail-Wechsels aus. Das entdeckten Forscher der University of Berkeley, als sie die anonymisierten Nachrichten von 10 000 Mitgliedern einer US-amerikanischen Datingsite analysierten. Die längsten E-Mail-Konversationen entstanden, wenn die Empfänger der ersten Nachricht innerhalb eines Tages eine Antwort verschickten, die zudem eine offene Frage enthielt wie: Was hat dir an meinem Profil gefallen?
Im Durchschnitt reagierten Männer innerhalb von 16 Stunden auf die erste Nachricht und Frauen nach spätestens 19 Stunden. Auch eine Antwort nach nur ein, zwei Stunden schreckt Teilnehmer nicht ab. Erst wenn der Empfänger der Nachricht länger als einen Tag wartete, sank die Chance auf einen E-Mail-Wechsel. "Ein Gespräch ohne lange Pausen führt eher zu echtem Kontakt", weiß Marcelino Lopez. "Ich empfehle daher, schnell zu chatten, dann erfährt man mehr übereinander. Oder noch besser: einfach ein persönliches Date vereinbaren."Quellen u. a.: E. Bruch u. a., Extracting multistage screening rules from online dating activity data, PNAS, 2016 (Analyse von 1,1 Millionen Interaktionen auf einer amerikanischen Datingsite in New York City)
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Der Artikel zum Thema Online-Dating ist in Ausgabe 4/2017 von PSYCHOLOGIE bringt dich weiter erschienen. Das komplette Heft können Sie im Shop nachbestellen.