So fördern Sie die Sozialkompetenz Ihres Kindes
Freundschaften schließen, Konflikte lösen, Kritik annehmen: Erziehungsexperte Steven Pont gibt Tipps, wie Sie die sozialen Fähigkeiten Ihres Kindes fördern
Auf einem Familienfest beobachten Sie, wie einer Ihrer Neffen Ihrer Tochter einen Ball wegnimmt und diese daraufhin betreten weggeht. Offensichtlich weiß sie nicht recht, wie sie so einen Konflikt lösen soll. Wie bringen Sie Ihrer Tochter solche sozialen Fähigkeiten bei?
Die erste Frage lautet: Können Eltern ihren Kindern überhaupt soziale Fähigkeiten beibringen? Bis zu einem gewissen Grad muss jeder Mensch mit der ihm angeborenen Unbeholfenheit, Schüchternheit oder Unbeschwertheit zurechtkommen. Andererseits gibt es auch Kinder, die schon in jungen Jahren sozialer sind als andere. Die sich zum Beispiel trauen, beim Nikolaus auf dem Schoß zu sitzen und Geschichten zu erzählen. Soziale Fähigkeiten – sprich: wie leicht man Kontakt zu anderen knüpft – sind also teilweise angeboren. Aber ein wichtiger Teil ist natürlich auch erlernt.
Zunächst zum angeborenen Teil. Aus Studien der National University of Singapore geht hervor, dass vor allem zwei spezifische Gene die sozialen Fähigkeiten eines Kindes beeinflussen. Diese Gene regulieren die Produktion von Oxytocin, dem Hormon, das bei Sozialkontakten ein angenehmes Gefühl vermittelt. Kinder, bei denen diese Gene ein wenig aktiver sind, nehmen leichter Kontakt auf, können sich besser in andere hineinversetzen und sorgen aus sich heraus mehr für ihre Mitmenschen. Die Folge ist, dass sich andere ihrerseits besser um sie kümmern – eine gute soziale Kompetenz ist also ein wichtiger evolutionärer Vorteil.
Sprachtalent
Genetische Veranlagung allein reicht jedoch nicht. Man kann es mit Sprachtalent vergleichen. Ein Kind mit einem solchen Talent kann gut werden in Sprachen, wenn die Qualität des Umfeldes stimmt, wenn es also guten Unterricht bekommt. Ein Kind mit wenig Sprachgefühl wiederum wird besonders guten Unterricht brauchen, um so weit zu kommen.
Das gilt auch für soziale Fähigkeiten. Für alle Kinder ist ein gutes Umfeld wichtig, um sich entfalten zu können, aber ein Kind mit wenig genetischer Veranlagung wird sein Umfeld – unter anderem seine Eltern – besonders dringend brauchen.
Gemeinsam besprechen
Die Unterstützung besteht zunächst einmal darin, dem Kind zu erklären, was da im sozialen Bereich alles mit ihm geschieht. Erzählt Ihr Kind zum Beispiel von seinen Erlebnissen, gehen Sie dann nicht nur auf das Ereignis selbst ein, sondern auch auf die Emotionen, die bei ihm selbst und bei anderen eine Rolle gespielt haben. Warst du wütend oder eigentlich vor allem ein wenig eifersüchtig? Und warum glaubst du, hat der andere so reagiert? Sie können Ihrem Kind auf diese Weise beibringen, dass es nicht nur Opfer von Situationen ist, sondern selbst auch Anteil an dem hat, was im Sozialleben mit ihm geschieht, und dass es Situationen auch selbst steuern kann. Außerdem bringen Sie Ihrem Kind so bei, sich in andere hineinzuversetzen.
Soziales Glück
Aber warum eigentlich sollten Sie sich so viel Mühe geben, die sozialen Fähigkeiten Ihres Kindes zu verbessern? Die Antwort ist ganz einfach: Sie erhöhen damit seine Chance auf ein glückliches Leben. Die Forschung zeigt, dass ein gutes Sozialleben – und eben nicht viel Geld, gutes Aussehen oder ein hoher IQ – Menschen glücklich macht. Auch Kinder, die gute Kontakte zu Gleichaltrigen haben, sind glücklicher als Kinder, die diese Kontakte nicht oder nur in geringem Umfang haben.
Zurück zum Familientreffen: Ihre Tochter hat klein beigegeben. Sie ist wütend, hat sich aber nicht getraut, ihrem Cousin das zu zeigen. Wenn Sie wieder zu Hause sind, besprechen Sie mit ihr, was geschehen ist und was sie dabei empfunden hat. Und auch: Was glaubt sie, was ihr Cousin gefühlt hat? Vielleicht war ihm ja gar nicht klar, dass sie schon eine ganze Weile mit dem Ball gespielt hat? Und: Beim nächsten Mal soll sie ruhig sagen, wenn sie etwas stört.
Was lässt sich verbessern?
- Besprechen Sie eine schwierige soziale Situation erst im Nachhinein, wenn die Emotionen (Ihres Kindes und Ihre eigenen) nachgelassen haben und Sie in Ruhe miteinander reden können.
- Fragen Sie Ihr Kind, wie es die Situation erlebt hat, gehen Sie nicht von Ihrer eigenen Wahrnehmung aus.
- Betonen Sie, was Ihrer Meinung nach gut gelaufen ist, vermitteln Sie Ihrem Kind nicht das Gefühl, es sei gescheitert („Ich habe gesehen, dass du eigentlich wütend auf deinen Cousin warst, aber die Stimmung nicht verderben wolltest. Das war nett von dir, aber so konnte er nicht wissen, wie du das fandest, und ist mit dem Ball abgehauen.“).
- Besprechen Sie die verschiedenen Optionen Ihres Kindes, und fordern Sie es auf, sich selbst auch einige zu überlegen.
- Manchmal kann es sinnvoll sein, die Situation nachzuspielen und Ihr Kind auch einmal in die Rolle der anderen Person schlüpfen zu lassen.
- Loben Sie Ihr Kind, wenn Sie sehen, dass es eine Situation besser gelöst hat als zuvor.
- Erzählen Sie von Ihren eigenen sozial unbeholfenen Momenten, auch aus der jüngsten Vergangenheit. Damit zeigen Sie, dass niemand immer alles richtig machen muss.
Quellen u. a.: A. Chong u. a., ADP ribosylcyclases (CD38/CD157), social skills and friendship, Psychoneuroendocrinology, 2017 / H. Shan Cheung, J. Elliott, Child shyness and peer likeability: The moderating role of pragmatics and vocabulary, British Journal of Developmental Psychology, 2017