So finden Sie heraus, ob Ihre Beziehung noch Zukunft hat
Irgendwie sind Sie nicht mehr so verrückt nach Ihrem Partner wie früher. Aber warum? Liegt es am Alltagstrott? Ist es eine Phase? Oder läuft etwas Grundlegendes schief? Finden Sie es heraus - mit diesen essenziellen Fragen.
PASSEN SIE ZUSAMMEN?
Das ist die vielleicht wichtigste Frage. Die Antwort hängt von mehreren Faktoren ab. Ein guter Gradmesser ist, ob Sie einander genug ähneln. Gegensätze ziehen sich sicherlich gerade zu Beginn einer Beziehung besonders an. Der amerikanische Psychologe Darren George jedoch kam zu folgendem Ergebnis: Legen beide Partner vergleichbar viel Wert auf Sport, sind sie körperlich etwa gleich belastbar, denken ähnlich über Spirituelles und arbeiten gleich stark an ihrem persönlichen Wachstum, erhöht das ihre Chance auf eine dauerhafte Beziehung.
Psychologin und Beziehungstherapeutin Marly Senden, die kürzlich ein Handbuch für Beziehungszweifler verfasst hat, weiß noch ein paar mehr Aspekte, die unsere Liebe festigen: derselbe Hintergrund (kulturell und sozial), eine vergleichbare Persönlichkeit und ähnliche Erwartungen ans Leben. Leider lässt sich an diesen Faktoren wenig schrauben: Man ist nun einmal, wer man ist. Bei Beziehungsproblemen kann man diesen Aspekt daher wenig verbessern. Psychologin Marly Senden: "Lassen sich Ihre Beziehungszweifel dadurch erklären, dass Sie und Ihr Partner sehr verschieden sind, wenn es um derart grundlegende Aspekte geht, hadern Sie vermutlich zu Recht und sollten sich vielleicht lieber trennen."
FÜHLEN SIE SICH NOCH VERBUNDEN?
Emotionale Zusammengehörigkeit, also Verbundenheit, ist der Klebstoff einer Beziehung - das schlussfolgerten die Psychologen Dick Barelds und Pieternel Dijkstra aus einer Studie zum Thema. Was jedoch sorgt dafür, dass Sie sich verbunden fühlen? Laut Meinung des amerikanischen Psychologieprofessors Robert Sternberg besteht Verbundenheit aus drei Komponenten:
- Intimität, entstanden durch Vertrauen, Unterstützung, gute Kommunikation und Empathie.
- Leidenschaft, bestehend aus körperlicher Anziehung, Lust, Energie und Romantik.
- Liebevolle Zuwendung, also der Entschluss, die Beziehung dauerhaft aufrechtzuerhalten.
"Kriselt es in einer Beziehung, lässt sich das meist auf eine der drei genannten Komponenten zurückführen", sagt Beziehungstherapeutin Senden. "Haben Sie zum Beispiel wenig oder keinen Sex, kann das daran liegen, dass Sie sich nicht mehr körperlich anziehend finden und somit die Leidenschaft verloren gegangen ist. Möglicherweise steckt dahinter auch ein anderer Mangel, etwa fehlendes Vertrauen oder zu wenig Intimität." Versuchen Sie herauszufinden, was genau fehlt und ob sich daran etwas ändern lässt - denn das geht leider nicht immer. "Man kann zum Beispiel lernen, wieder besser zu kommunizieren, und kann versuchen, zu neuer Intimität und liebevoller Zuwendung zu finden. Aber an der Leidenschaft zu arbeiten ist zum Beispiel schwieriger." Gelingt es Ihnen nicht, wiederzuerlangen, was Sie vermissen, und können Sie sich auch nicht damit abfinden, ist es besser, die Beziehung zu beenden.
SIND SIE NOCH NEUGIERIG AUFEINANDER?
Wenn man schon länger mit jemandem zusammen ist, entsteht oft das Gefühl, den anderen durch und durch zu kennen. Inklusive der Gefahr, dass man meint, über die Gedanken und Gefühle des Partners schon Bescheid zu wissen, statt sich nach ihnen zu erkundigen. Die Folge: Missverständnisse, Enttäuschungen, Streit. Ein Beispiel: Sie halten Ihren Partner für sehr still und denken - weil er öfter lange im Büro bleibt -, er stürze sich zu sehr in die Arbeit. Sie bestehen darauf, dass er früher Feierabend macht. In Wirklichkeit jedoch hat er enormen Stress im Büro, für den er nichts kann. Ihre Bemerkung gibt ihm das Gefühl, es zu Hause auch nicht richtig zu machen, und er zieht sich weiter zurück. Sie sind enttäuscht, er fühlt sich nicht verstanden.
Nach Meinung von Psychologieprofessor und Beziehungsexperte John Gottman speichern wir das Wissen über unseren Partner in einer Love Map, einer Art Beziehungsstadtplan im Gehirn. Je detaillierter die Love Map, desto größer das Vertrauen und der Respekt und desto stabiler die Liebe.
Hinterfragen Sie sich also mal: Wissen Sie noch genau, was Ihren Partner beschäftigt und fasziniert? Sind Sie noch neugierig auf seine Träume und Sehnsüchte, Frustrationen und Ängste? Indem Sie darüber sprechen, erweitern Sie Ihre Love Map und stärken die Liebe. Ermüdet Sie schon der bloße Gedanke daran? Dann ist es womöglich an der Zeit, getrennte Wege zu gehen.
WOLLEN SIE ZU ZWEIT SEIN?
Kinder, Kollegen, Freunde, Familie... Ein umfangreiches Sozialleben kann Sie sehr in Beschlag nehmen. Zeit zu zweit gerät da allzu leicht in den Hintergrund. Und manchmal ist so ein volles Leben auch eine angenehme Ausrede, um nicht zu zweit sein zu müssen. Aber Intimität könne man nur spüren, wenn man zusammen Zeit verbringt, sagt Marly Senden. "Es geht um strukturelle Zweisamkeit, nicht nur Wochenendtrips oder Urlaube." Sie verweist auf John Gottman, der herausfand, dass Menschen in guten Beziehungen fünf Stunden pro Woche mehr miteinander verbringen als Leute in schlechten Partnerschaften. Die gemeinsame Zeit kann auch aus zahllosen kleinen Aufmerksamkeiten bestehen, beispielsweise einer tiefergehenden Frage oder einem Kuss. "Kriselt es in Ihrer Beziehung und Sie wollen gemeinsam an ihr arbeiten, ist es wichtig, viel mehr Zeit miteinander zu verbringen als momentan", sagt Marly Senden. Das braucht nicht kompliziert zu sein. Besprechen Sie zum Beispiel beim Frühstück, was für den jeweiligen Tag anliegt, und fragen Sie beim Abendessen, wie es gelaufen ist. Sagen Sie einander einmal in der Woche, was Sie aneinander schätzen, und erzählen Sie sich, was Sie beschäftigt. So halten Sie Ihre Love Map auf dem aktuellen Stand. "Probieren Sie das mal ein halbes Jahr lang aus. Sind die Gefühle füreinander danach nicht zurückgekehrt, ist es eher unwahrscheinlich, dass das noch geschieht." Und wenn Sie schon früher erkennen, dass Sie am liebsten gar nicht mehr zusammenbleiben wollen, sollten Sie am besten auch eine klare Entscheidung treffen und die Beziehung beenden.
KÖNNEN SIE SICH GUT STREITEN?
"Sich zu streiten ist ein Weg, Ihre Unzufriedenheit und Bedürfnisse zu äußern. Wer das nicht tut, kapselt sich ab und entfernt sich vom anderen", sagt Beziehungstherapeutin Senden. Das heißt nicht, dass Sie sich anschreien oder aufeinander losgehen sollen. Aber wenn Sie mal nicht einer Meinung sind - und bei wem ist das nicht ab und an der Fall -, sollten Sie offen sagen können, was Sie meinen und empfinden.
Richtig streiten kann man lernen, da sind sich fast alle Beziehungstherapeuten einig. Laut Sue Johnson, Begründerin der Emotionsfokussierten Paartherapie, ist es wesentlich für gutes Streiten, dass Sie sich währenddessen dem anderen gegenüber weiterhin offen zeigen, seine Gefühle anerkennen und regelmäßig Körperkontakt herstellen. Beziehungstherapeutin Senden plädiert dafür, dem Partner auch wirklich genau zuzuhören. "Welche Gefühle stecken hinter seinen Vorwürfen? Um die geht es nämlich eigentlich. "Beziehungsforscher John Gottman fand zudem vier Streit-No-Gos, die Sie vermeiden sollten:
- Kritik an der Person äußern (statt am Verhalten);
- schnell eine verteidigende Haltung annehmen;
- Geringschätzung zeigen;
- sich verschanzen.
Scheitern Sie ständig an diesen Punkten, ist nur noch wenig gegenseitiges Vertrauen vorhanden - und Sie sollten sich wohl lieber trennen.
SIND IHRE ERWARTUNGEN REALISTISCH?
Wir denken heutzutage, alles sei machbar, auch an unserem Partner herumzuschrauben. Das ist natürlich Unsinn. Persönlichkeitsmerkmale wie Extraversion, Labilität oder Unordentlichkeit kann man nicht wirklich ändern. "Ehe Sie sich versehen, sind Sie solch ein problematisches Paar: Der eine kritisiert, und der andere zieht sich immer mehr zurück."
Aber was darf man denn von seinem Partner oder seiner Partnerin erwarten? "Jemand, der vom anderen verlangt, dass er ihm mit Wohlwollen, Freundlichkeit und Anteilnahme entgegentritt, ist in seiner Beziehung am glücklichsten", sagt John Gottman im Hinblick auf seine Forschungsergebnisse. Man darf in dieser Hinsicht also durchaus Erwartungen an den anderen haben.
Aber für jemanden, der das Gewünschte nicht in sich hat, kann es auch harte Arbeit bedeuten. "Erwarten Sie zum Beispiel nicht, dass der andere plötzlich sehr empathisch wird, das ist nicht realistisch", sagt Marly Senden. Oft ist nicht mehr herauszuholen als die Bereitschaft, sich gegenseitig zu respektieren und dem anderen entgegenzukommen.
Wollen Sie herausfinden, ob Ihre Erwartungen realistisch sind, müssen Sie erst klären, ob der andere etwas zu geben oder verändern vermag. Mit (zu Ihrer Beziehung neutral stehenden) Freunden oder der Familie über Ihre Erwartungen zu sprechen kann Ihnen dabei helfen. Senden: "Kann sich Ihr Partner in wichtigen Punkten nicht ändern oder will er sich auf keinen Fall anpassen, und Sie können das nicht akzeptieren, hat Ihre Beziehung keine Zukunft."
GÖNNEN SIE SICH GEGENSEITIG GENUG?
In der ersten Verliebtheit gesteht man dem anderen einfach alles zu. Aber mit der Zeit geraten Beziehungen oft aus der Balance: Der eine Partner nimmt sich mehr Zeit für sich als der andere, oder der eine macht ständig einen neuen Karriereschritt, während der andere beruflich nicht vorankommt. Sind Sie noch genauso großzügig wie am Anfang? Laut der sozialen Austauschtheorie erstellen wir unbewusst eine Kosten-Nutzen-Analyse der Liebe. Beziehungen, in denen Partner einander etwa gleich viel Zeit, Liebe und Aufmerksamkeit widmen, sorgen für die größte Zufriedenheit. Sind Sie derjenige, der vor allem gibt, ist die Gefahr groß, dass Sie unglücklich werden.
Was lässt sich an solch einem Ungleichgewicht ändern? "Besprechen Sie Ihre jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse - und wie Sie diese gestalten können", sagt Marly Senden. Das klingt gut, aber Partner können natürlich auch sehr hohe Ansprüche stellen (siehe Frage 6). Die braucht man doch nicht immer zu erfüllen, oder? "Nein, bestimmt nicht. Verlangt ein Partner zum Beispiel ständig nach Aufmerksamkeit, wird man in seinen Augen eh immer zu wenig geben. In diesem Fall muss er erst einmal an seinem eigenen Selbstbewusstsein arbeiten." Das gilt natürlich auch umgekehrt: "Neigen Sie zum Beispiel dazu, alle Aufmerksamkeit für sich einzufordern, werden Sie erst lernen müssen, sich anders zu verhalten." Dass beide Partner bereit sind, auch ihr eigenes Verhalten und eigene Bedürfnisse kritisch zu hinterfragen, ist eine Voraussetzung, um das Gleichgewicht wiederherstellen zu können. Fehlt diese Bereitschaft, werden Sie sich immer zurückgesetzt fühlen - keine stabile Basis für eine Beziehung, mit wem auch immer.
SIND SIE EINANDER TREU?
Lediglich 31 Prozent der Ehen überlebten Untreue, meldete das amerikanische Journal of Marital and Family Therapy, alle übrigen zerbrächen daran. "Fremdgehen ist das Gegenteil von liebevoller Zuwendung", sagt auch Beziehungstherapeutin Marly Senden. "Es ist somit eine reelle Bedrohung. Wollen beide Partner jedoch wirklich zusammenbleiben, lässt sich die Beziehung unter bestimmten Umständen retten." Der Fremdgeher muss hart dafür arbeiten: Um den anderen von seiner liebevollen Zuwendung zu überzeugen, muss er sich dem Schaden stellen, den er angerichtet hat, Reue zeigen, die dritte Person im Bunde nicht mehr sehen und sich fragen: Warum war ich für jemand anderen offen? Was kann ich tun, um das in Zukunft zu verhindern?
Als "Betrogene(r)" darf man sich selbstverständlich Zeit nehmen, um den Schmerz zu verarbeiten, aber man darf nicht darin verharren und sollte versuchen, dem anderen zu verzeihen. Der amerikanische Psychologe Frederick DiBlasio hat nachgewiesen, dass schon der Entschluss, dem Partner zu vergeben, hilft. All die negativen Gefühle, die man hat, die Wut, die Enttäuschung, die Trauer, werden dadurch schwächer. Marly Senden: "Geht der Partner weiterhin fremd oder gelingt es dem Betrogenen nicht, darüber hinwegzukommen, ist die Chance auf eine gemeinsame Zukunft jedoch gering."
KÖNNEN SIE SO SEIN, WIE SIE SIND?
Zu den drei Komponenten, die für eine vollwertige Liebe nötig sind - Intimität, Leidenschaft und liebevolle Zuwendung -, gehört laut Marly Senden heutzutage noch eine vierte: Autonomie. Auch aus der Beziehungsstudie von Pieternel Dijkstra und Dick Barelds geht hervor, dass Autonomie ein Erfolgsfaktor ist. Sie führt zu mehr Selbstständigkeit, Freiheit und Individualität, und das erhöht die Selbstliebe. Die wiederum, dokumentiert die Studie, sorgt dafür, dass man auch den anderen mehr lieben kann, dass man positiver kommuniziert, dem Partner Fehltritte eher verzeiht und sich traut, das zu fordern, was man braucht.
"Um autonom zu sein, ist es erforderlich, nach seinen eigenen Werten zu leben", sagt Marly Senden. "Fragen Sie sich, was Ihnen wichtig ist, wie Sie Sie selbst sein können. Und erlauben Sie sich anschließend, nach diesen Werten zu leben." Gibt Ihnen Ihr Partner dafür nicht genügend Raum, reden Sie darüber und überlegen Sie, ob Sie das gemeinsam ändern können. "Verlangt Ihr Partner trotz zahlreicher Gespräche, dass Sie sich anpassen, werden Sie sich selbst nicht gerecht, wenn Sie mit ihm zusammenbleiben."
Quellen u. a.: D. George u. a., Couple similarity on stimulus characteristics and marital satisfaction, Personality and Individual Differences, 2015 / R. Sternberg, The New Psychology of Love, Yale University Press, 2008 / J. Gottman, The Seven Principles for Making Marriage Work, Orion Books, 2007 / O. Leeker, A. Carlozzi, Effects of sex, sexual orientation, infidelity expectations (…), Journal of Marital and Family Therapy, 2014