Familiengeheimnis: "Schatz, dachte ich, wenn du wüsstest"
Kurz vor ihrer Heirat begann Eline (34) eine Affäre mit ihrem Chef. Dann wurde sie schwanger - aber von wem?
Ich wurde sehr konservativ erzogen, mit strengen Normen und Werten, wie etwa nicht vor der Ehe zusammenzuziehen. Mein Verlobter und ich lebten daher in verschiedenen Städten, als wir unsere Hochzeit vorbereiteten. Ich war Anfang 30 und hatte einen guten Job bei einem großen Unternehmen. Dort lernte ich Peter kennen, meinen neuen Chef. Er war Mitte 40 und eigentlich nicht mein Typ. Etwas grau und unscheinbar, fand ich. Aber es war sofort klar, dass ich ihm gefiel. Montags kam er immer kurz in mein Büro, um sich nach dem Wochenende zu erkundigen. Ganz unschuldig – zumindest anfangs. Wurde er doch mit jedem Mal persönlicher, und irgendwann fand auch ich ihn attraktiv. Kollegen begannen, über uns zu witzeln: "Falls du Peter suchst, der ist bestimmt bei Eline."
Schon bald lachten wir über dieselben Dinge, und ab und an legte er seinen Arm um mich. Einmal war er den Tränen nah. Zu Hause lief es nicht gut, seine Frau und er hatten kaum noch Sex. Nach diesem Gespräch wurde es zwischen uns noch vertrauter.
Kurz darauf haben wir uns zum ersten Mal geküsst. Die Spannung zwischen uns war groß, wir wussten beide, dass es passieren würde. Danach war es nicht mehr weit bis zum Sex. In einer Mittagspause fuhren wir zu mir. Das taten wir ab da immer öfter. Ich brauchte nie zu befürchten, dass mein Verlobter plötzlich vor der Tür stand, da er zu weit weg wohnte und nie spontan vorbeikam.
Natürlich hätte das nie passieren dürfen. Ich stand kurz vor meiner Hochzeit – und lag jetzt in den Armen eines anderen. Aber das waren für mich zwei Welten, die nichts miteinander zu tun hatten. Wenn ich Robert ansah, dachte ich nur: Wenn du wüsstest. Dann wieder war ich zum Vorgespräch beim Pfarrer, aber gedanklich schon im Büro bei Peter. Robert fand mich damals in der Tat etwas abwesend, und es störte ihn auch, dass ich ständig mit meinem Handy hantierte.
Ab und an fragte ich mich, ob meine Affäre wohl mit der Hochzeit zu tun hatte. Man heirate nur einmal, hieß es zu Hause. Dann musste es natürlich der Mensch sein, mit dem man alt werden wollte. Zweifelte ich? Vermisste ich etwas? Ich wollte begehrt werden, Aufmerksamkeit und Komplimente bekommen. Das alles gab mir mein Geliebter. Robert hingegen sagte nie, dass ich für ihn die schönste Frau der Welt sei. Nicht, dass er mir das nicht anders gezeigt hätte, auch wenn er manchmal mehr auf seinen Computer schaute als zu mir.
Zwei Monate vor der Hochzeit habe ich es meiner Schwester erzählt. Ich überlegte, ob die Affäre vielleicht eine Flucht war. Mich zu entscheiden fand ich schon immer schwierig, und mit der Heirat würde ich mich endgültig festlegen. Da war es doch logisch, dass ich noch mal auf den Putz hauen wollte, oder?
Noch an meinem Hochzeitstag schrieben Peter und ich uns Whatsapps. Ich konnte dem Drang einfach nicht widerstehen. Dabei würde ich gleich "Ja" sagen, sogar in der Kirche. Ich fühlte mich schon mies. Kurz darauf war ich schwanger. Und stand Todesängste aus, dass das Kind von Peter sein könnte. Ich erlitt eine Fehlgeburt. Als ich erneut schwanger war, war klar, dass mein Mann der Vater war, das konnte ich ausrechnen.
Doch trotz der Schwangerschaft lief meine Affäre weiter. Wir verabredeten uns bei mir, wenn mein Mann bei der Arbeit war. Sex mit einem anderen, während ich schwanger war und frisch verheiratet, im Haus meines Mannes... Ich muss zugeben, das klingt einfach schrecklich.
Während des Mutterschutzes hatten Peter und ich keinen Kontakt. Ich war sehr froh, dass mein Sohn ihm nicht ähnelte, obwohl ich ja wusste, dass das gar nicht sein konnte. Als ich wieder arbeiten ging, wollte ich Peter am liebsten nicht begegnen. Aber natürlich ließ sich das nicht vermeiden, gleich am ersten Tag traf ich ihn... "Wie geht's?", fragte er. Und sofort war sie wieder da. Die Anziehung. Verliebtheit kann ich es nicht so recht nennen. Aber es war etwas, das sich nicht verdrängen ließ.
Bald trafen wir uns wieder. Erst bei mir zu Hause. Aber ich hatte Angst, mein Kind könne eines Tages fragen, wer der Mann in Mamas Bett war. Also gingen wir in Hotels. Die Leidenschaft, der tolle Sex, das konnte in einem gefühlten "Paralleluniversum" weiter bestehen. Nach Feierabend kam Peter in mein Büro, schloss die Tür hinter sich, und wir küssten uns. Sehr spannend. Und gefährlich.
Der Wendepunkt kam, als er mir das Foto einer anderen Frau zeigte. Ich fragte mich, ob er womöglich mehrere Affären hatte. Und wurde eifersüchtig. Doch er lachte nur. Danach sah ich ihn mit der Sekretärin. Die fand ich wirklich ordinär, aber wenn sie einen Scherz machte, kugelte er sich fast vor Lachen. Ich ärgerte mich schon länger über Peters Bemerkungen über Frauen. Er meinte, wir wären alle wie Affen auf einem Felsen, und er sei der wichtigste. Diese Seite an ihm, die mir erst jetzt auffiel, stimmte mich nachdenklich. Beruhte alles wirklich auf Gegenseitigkeit? Hatte er mich benutzt? Er ist ein Spieler und hatte einen Kollegen äußerst mies aus der Firma befördert. Vielleicht spielte er auch mit mir?
Und eines Tages war ich mit ihm durch. Ich wollte nicht mehr, und er zeigte sich erst einsichtig. Als ihm jedoch klar wurde, dass ich wirklich nicht mehr auf seine Avancen einging, begann er, mir die Arbeit schwer zu machen. Er "vergaß" mich bei Besprechungen, machte mich lächerlich. Natürlich hätte ich mir eine andere Stelle suchen können, aber ich arbeitete gern dort und wollte mich von ihm nicht zur Kündigung zwingen lassen.
Vergangenen Sommer wurde mir dann doch alles zu viel. Meine Schwester kontaktierte daher, mit meinem Wissen, Peters Frau über Facebook. Die war außer sich und versprach, ihren Mann damit zu konfrontieren. Seither lässt er mich in Ruhe.
Meine Affäre ist ein Geheimnis, an das ich fast täglich denke. Soll ich es Robert bald beichten? Oder lieber erst auf meinem Sterbebett? Ich habe große Angst, dass er dann sofort die Koffer packt. Was ich getan habe, ist schlimm. Dennoch fühlt es sich auch so an, als wäre ich irgendwie fremdgesteuert gewesen. Als habe Peter seine Position und meine Angst so kurz vor der Ehe missbraucht. Ja, ich habe mitgemacht. Aber ich war auch verletzlich und er mein Chef.
Zum Schutz ihrer Privatsphäre wurden die Namen aller Beteiligten geändert.
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