Erste Liebe: Ein Fundament für später
Die meisten Menschen erinnern sich an ihre erste Liebe, als wäre es gestern gewesen. Warum eine gute erste Beziehung ein solides Fundament für spätere Partnerschaften bildet und was Teenager aus Liebeskummer lernen.
Erste Liebe beim Übergang zum Erwachsenwerden
Mit ihrer ersten Liebe lassen sich Jugendliche auf eine Verbindung ein, die völlig anders ist als die Beziehungen, die sie bis dahin kannten. „Es ist die erste Beziehung mit einer sexuellen Komponente“, sagt Beziehungsexpertin und Sexologin Rika Ponnet. „Innerhalb der Beziehung zu ihren Eltern und Freunden haben Jugendliche bereits mit emotionaler Intimität experimentieren können, aber ihr erster Liebespartner sieht sie auch als körperlich attraktiven Menschen. Zum ersten Mal werden sie – außerhalb einer Blutsverwandtschaft oder normalen Freundschaft – als liebenswürdige Wesen anerkannt. Das ist eine überwältigende Erfahrung, die viel Selbstvertrauen bringt. Ein wichtiger Schritt beim Übergang zum Erwachsenwerden, zur Entwicklung von Autonomie und Identität.“ Übrigens sei der Einfluss der ersten Liebe bei Jungen noch größer als bei Mädchen, sagt der amerikanische Psychologe Carl Pickhardt. Seiner Meinung nach verlieben sich Jungen heftiger, weil sie weniger emotionale Intimität gewohnt sind. Mädchen haben das Gefühl tiefer Verbundenheit oft schon mit Freundinnen erlebt.
Verliebte Teenager erleben gigantische Kicks
Die meisten Menschen erinnern sich an ihre erste Liebe, als wäre es gestern gewesen. So wie alle emotionalen ersten Erfahrungen tiefe Spuren im Gehirn hinterlassen. In einer Studie der University of New Hampshire sollten Versuchspersonen sich an früher erinnern und angeben, woran sie die lebhaftesten Erinnerungen hatten. Es stellte sich heraus, dass es um Ereignisse ging, die zum ersten Mal in ihrem Leben auftraten: die erste Vorlesung, die erste Nacht in der neuen Wohnung, die erste Verliebtheit. Der Psychologe Hermann Ebbinghaus hat das den Primäreffekt genannt: die Tatsache, dass wir uns die ersten Wörter in einer Liste am besten merken. Nach Ansicht des russischen Psychologen Denis Bukin, der das Gedächtnis ehemaliger KGB-Leute erforscht hat, gilt das auch für Ereignisse. Wenn man versuche, sich an einen Tag zu erinnern, sagt er, erinnere man sich oft besser an den Morgen als an den Nachmittag. Hinzu kommt, dass Verliebtheit gerade in der Pubertät überwältigend sein kann. Das liegt unter anderem daran, dass die Anzahl der Dopaminrezeptoren im Gehirn unter Einfluss von Hormonen zunimmt. Bei positiven Erfahrungen, wie die Person zu sehen, in die sie verliebt sind, erleben Teenager einen gigantischen Kick. Erwiderte Liebe ist für jeden Menschen ein wunderbares Erlebnis, aber hier führt sie zu wahrer Euphorie.
Die erste Beziehung prägt spätere Partnerschaften
Eine gute erste Beziehung bilde ein solides Fundament für spätere Partnerschaften, sagt Ponnet. „Jemand hat sich selbst als Partner kennengelernt und erlebt, dass er für jemanden wichtig ist. Das bildet eine gute Grundlage, auf der man neue Verbindungen eingehen kann.“ War diese erste Erfahrung jedoch negativ, zum Beispiel weil der Partner fremd ging ging oder dominant war, kann es sein, dass sich jemand gegen neue Beziehungen sperrt. Ponnet: „Die Entwicklung stagniert dann in dieser Hinsicht. Jemand vergräbt sich etwa voll in das Studium, Liebe ist jahrelang kein Thema. Die Folge kann sein, dass derjenige mit 25 Jahren in Sachen Beziehung so weit ist wie andere mit 17.“
Liebeskummer als Lernprozess für Abschied
Wird eine Beziehung durch externe Faktoren beendet, wie ein Umzug oder Eltern, die sich querstellen, könne das später noch eine Rolle spielen, so Ponnet. „Da der Bruch nicht selbst gewollt war, schlummert die Sehnsucht noch immer. Das Risiko der Idealisierung steigt, denn ,der oder die Wahre‘ wurde einem weggenommen. Die Überzeugung, niemand könne der ersten Liebe das Wasser reichen, mag späteren Beziehungen im Weg stehen.“ So stürmisch eine junge Verliebtheit sein kann, so heftig sind auch die Gefühle, wenn es schiefgeht. Das dürfen Erwachsene nicht bagatellisieren, sagt Ponnet. Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass eine Jugendliebe ewig währt, ist der Kummer nicht weniger stark. „Es geht um eine tiefe emotionale Erfahrung, die sehr verletzlich macht. Aber dass es wehtun kann, ist auch ein Lernprozess. Man lernt, mit Ablehnung umzugehen, dass Abschied dazugehört und dass man über die Liebe keine Regie führt.“
Weiterlesen
In der aktuellen Ausgabe von PSYCHOLOGIE bringt dich weiter erzählen drei Teenagerpärchen von ihrer Liebe. Das Heft können Sie jetzt im Shop bestellen oder im Handel kaufen.