Die erste große Liebe: Wie sie ewig hält
Wenn die Jugendliebe hält, bleibt man ein Leben lang zusammen. Das bedeutet einerseits, man kennt sich durch und durch. Andererseits heißt es aber auch: Man hat keinen Vergleich. Und wie verhindert man Langeweile? Was Experten dazu sagen.
"Die erste Liebe hat eine gigantische Tragweite", sagt Paar- und Psychotherapeutin Karin Wagenaar. "Es ist eine intensive Erfahrung, die wir oft idealisieren. Teilt man diese als Ehepaar, wird die Beziehung zusätzlich besonders." Mit der ersten Liebe zusammenzubleiben ist aber längst nicht mehr so üblich wie früher: 40 Prozent der Ehen werden geschieden, nach durchschnittlich 15 Jahren. Statistiker nennen als wichtigsten Grund: Der Partner hat jeden Reiz verloren. Der flämische Beziehungstherapeut Alfons Vansteenwegen findet, wir sollten uns mit der Ehe mehr Mühe geben. "Das geht nicht von allein, an einer guten Beziehung wird man immer arbeiten müssen."
Sich zu engagieren, sich also für die Beziehung einzusetzen, ist sehr wichtig, belegen auch Studien. Und es hilft, wenn man sich ähnelt. Das Klischee "Gegensätze ziehen sich an" und ergänzen sich ist für eine dauerhafte Beziehung kein gutes Rezept. Vansteenwegen: "Die Chance auf Erfolg wird wahrscheinlicher, je mehr man miteinander teilt: dieselbe Erziehung, soziale Schicht, Sprache, gleiche Interessen, Einstellung zu Geld, familiäre Werte und Lebenseinstellung."
Selbstverständlich decken sich die Bedürfnisse der Partner nicht immer. Dann ist es wichtig, sich darüber auszutauschen. Vansteenwegen: "Ein Fallstrick ist, recht bekommen zu wollen. Zu akzeptieren, dass es unterschiedliche Bedürfnisse und Sehnsüchte gibt, und darüber zu sprechen, das führt zu Lösungen. Meist schließt man dann einen Kompromiss. Oder beide Partner kriegen abwechselnd ihren Willen."
Dem anderen Raum zu gönnen und sich selbst auch ist für eine dauerhafte Beziehung ebenso wichtig. "Man muss auf seine Autonomie achten und die Eigenheiten des anderen respektieren“, sagt Vansteenwegen. „Und vor allem miteinander reden. Wenn man einander erzählt, was man empfindet und erlebt, entsteht Intimität." Auf eine solche Offenheit sollte man dann aber auch stets verständnisvoll reagieren. „Es macht zudem einen großen Unterschied, ob man mitfühlt oder miterlebt“, so der Therapeut. "Sind wir traurig, wollen wir, dass uns der andere versteht und ernst nimmt. Wird er aber ebenfalls traurig, fühlt sich das nicht so gut an."
In unserer Kindheit entwickeln wir einen Bindungsstil, der nebst anderen Faktoren bestimmt, ob wir zu einer stabilen Beziehung fähig sind. Reagieren unsere Eltern oder andere Erziehende adäquat auf unsere Bedürfnisse, entsteht bei uns ein Basisvertrauen: Es ist schon in Ordnung. Hat das in unserer Kindheit gefehlt, gehen wir an Bindungen eher ängstlich oder vermeidend heran.
"Am ausgeglichensten ist ein Paar, das aus zwei Menschen mit sicherer Bindung besteht", erklärt Psychotherapeutin Wagenaar. "Eine ängstlich gebundene Person in Kombination mit jemandem, der vermeidend reagiert, sorgt für allerlei Drama aus Anziehung und Abstoßung. Die Partner bohren stets in den wunden Punkten des anderen. Der ängstliche Partner befürchtet Ablehnung, der vermeidende Partner will nicht beansprucht werden. Festklammern und Freistrampeln verstärken sich gegenseitig." Glücklicherweise könnten Partner ihre gegenseitigen Bindungsstile auch positiv beeinflussen, sagt sie. So könne eine ängstlich gebundene Person neben einem sicher gebundenen Partner mehr Grundvertrauen entwickeln. "Wenn einer der Partner gestresst reagiert und der andere ruhig bleibt, kann man voneinander lernen, wie man mit Problemen umgeht."
Eine lange Liebesbeziehung verändert sich mit den Jahren. Vansteenwegen: "Jugendlieben zeichnen sich durch Leidenschaft und Projektion aus: Wir glauben, der andere denke genauso wie wir. Mit der Zeit werden wir realistischer und sehen allmählich die Unterschiede und – im besten Fall – akzeptieren sie." Bei großen Veränderungen und Herausforderungen wie zusammenziehen, Kinder bekommen, die Eltern verlieren, Kinder loslassen oder aus dem Berufsleben austreten können sich Bedürfnisse unterscheiden, und es muss ein neues Gleichgewicht gefunden werden.
Auch ein einschneidendes Ereignis wie ein großer Verlust oder eine Stresssituation kann Beziehungen bisweilen unter Druck setzen. Wagenaar: "Womöglich reagieren die Partner darauf unterschiedlich. Gelingt es ihnen, sich weiterhin offen zu begegnen, vor dem anderen zuzugeben, dass man die Situation schwierig findet, und sich von ihm helfen zu lassen, können schwierige Zeiten gut gemeinsam gemeistert werden."
Quelle u. a.: B. Le, C. Agnew, Commitment and its theorized determinants: A meta-analysis of the Investment Model, Personal Relationships, 2003
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