5 Kommunikationsfallen in der Liebe
Offen und liebevoll mit dem Partner kommunizieren: Das klingt leichter, als es ist. Beziehungstherapeutin und Psychologin Nynke Nijman erklärt, in welchen Situationen das häufig schiefgeht und wie man es besser machen kann
Zu Beginn einer Beziehung liegt man oft nächtelang ineinander verschlungen im Bett und redet über die großen Lebensthemen. Man will jede Minute des Tages zusammen sein, alles am anderen ist interessant, und man versteht sich fast ohne Worte. Bis man sich plötzlich immer öfter über Kleinigkeiten ereifert, wie die Frage, wer den Müll rausbringt. Warum lauern in dauerhaften Beziehungen solche negativen Muster? "Verliebte produzieren verschiedene Stoffe, die es ihnen erleichtern, sich aufeinander einzulassen", erklärt Psychologin und Beziehungstherapeutin Nynke Nijman. „Oxytocin zum Beispiel hemmt das Angstsystem und sorgt dafür, dass beide Partner den Mut haben, sich verletzlich zu zeigen. Dadurch scheint ein verliebtes Paar dieselbe Sprache zu sprechen.“
Durch die Produktion von unter anderem Serotonin und Dopamin sehen wir einander zusätzlich durch eine Art Weichzeichner. Daher finden wir mitunter Eigenschaften, die uns später womöglich nerven, anfangs gerade besonders charmant. Der Boost durch "Liebesstoffe" ist vorübergehend: Im Durchschnitt dauert die Verliebtheitsphase zwölf bis 18 Monate. Und auch die Neugier auf den anderen nimmt logischerweise ab, je besser ein Paar sich kennenlernt.
Dann spielt gute Kommunikation eine immer größere Rolle – und das ist eine ganz schöne Herausforderung, sagt Nijman: "Ich zweifle nicht daran, dass Kommunikation bei jedem Paar irgendwann ein Thema ist. Und damit meine ich nicht, dass Partner sich viel streiten oder ihnen der Gesprächsstoff ausgeht; bei Kommunikation geht es meist um subtilere Sachen.“ Wie wir uns ausdrücken, was wir einander erzählen oder eben nicht, in welchem Ton und in welcher Lautstärke, unsere Körperhaltung, wie wir uns umarmen – das alles beeinflusst die
Beziehung.
Natürlich ist es nicht schlimm, wenn ein Paar nach einer gewissen Zeit nicht mehr ausschließlich aufeinander fokussiert ist, aber gut zu kommunizieren bleibt eine Grundvoraussetzung, um die Beziehung in Bewegung zu halten, Grenzen zu setzen, Bedürfnisse klarzumachen, Erwartungen auszusprechen und sich seine Liebe zu zeigen. Ist man sich der Kommunikationsfallen in der Liebe bewusst, hilft schon allein das, sie zu vermeiden. Hier folgen die wichtigsten fünf:
Falle 1: Schnauben, seufzen, Augen verdrehen
Gerade bei den Menschen, die wir am meisten lieben, müssten wir doch unsere besten Kommunikations-Skills einsetzen: geduldig, liebevoll und unmissverständlich sein – und urteilsfrei zuhören. Aber im Laufe der Zeit sind wir gegenüber unserer Nachbarin fast freundlicher und geduldiger als bei unserem eigenen Partner. Wir schnauben, wir seufzen, wir verdrehen die Augen. Gerade weil wir uns bei unserem Partner sicher fühlen, regulieren wir unsere Emotionen ihm oder ihr gegenüber weniger stark als im Umgang mit anderen.
Das klingt gut, aber wenn wir das zu oft machen, birgt es auch ein Risiko, sagt Nijman: "Jede Form der Kritik, jeder Satz mit erhobener Stimme, jede abweisende Körperhaltung hinterlässt kleine Kratzer im Liebesgefühl des anderen. Dauert das zu lange an, können aus den Kratzern tiefe Wunden werden, die nicht mehr heilen."
Der erste Schritt, wenn Sie gereizt sind: Machen Sie sich bewusst, was zur eigenen Person gehört und was zur Beziehung. Nijman: "Wenn Sie mit dem falschen Bein aus dem Bett steigen, ist Ihr Partner die oder der Erste, dem Sie begegnen. Sie brauchen keine gute Laune vorzutäuschen, aber machen Sie sich klar: Das hier ist meine schlechte Laune." Außerdem wissen Sie selbst natürlich auch, dass es Ihnen nichts bringt, Ihre Übellaunigkeit am anderen auszulassen. Wahrscheinlich wird dadurch alles nur noch mehr hochgekocht – und Ihre Stimmung verschlechtert sich noch mehr. Dieses Wissen reicht oft schon für ein wenig Selbstbeherrschung. Sagen Sie lieber: „Ich habe schlechte Laune heute Morgen, lass mich bitte mal eben."
Probleme, die mit der Beziehung zu tun haben, müssen natürlich besprochen werden; allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem es Ihnen möglich ist, aufmerksam zuzuhören, ohne dass Sie sich bereits eine Antwort zurechtlegen, während der andere noch spricht. Merken Sie, dass Sie Schwierigkeiten mit der Selbstbeherrschung haben und trotzdem seufzen oder die Augen verdrehen, sagen Sie dann, das Thema lieber kurz ruhen lassen zu wollen. Kommen Sie anschließend aber darauf zurück, damit es nicht liegen bleibt. Aufgestaute Wut entlädt sich nämlich fast zwangsläufig ungut.
Falle 2: Annahmen nicht prüfen
Zu den schönen Seiten einer Beziehung gehört die Selbstverständlichkeit. Man kennt sich so gut, dass man von bestimmten Bedürfnissen, Wünschen und Reaktionen ausgehen kann. Wer weiß, dass der andere ganz versessen auf Kokoseis ist, bringt es mit, ohne zu fragen. Und wenn er oder sie Theater nicht ausstehen kann, plant man solche Unternehmungen selbstverständlich mit einer Freundin und nicht mit dem Partner.
Wir gehen jedoch auch bei viel größeren und wichtigeren Dingen von bestimmten Annahmen aus, legen uns etwa zurecht, wie der Partner über Erziehung denkt oder was er oder sie im Leben wichtig findet. Und manchmal sind diese Annahmen negativ: Bestimmt reagiert er ungehalten, wenn ich sage, ich will ein Wochenende mit Freunden wegfahren, also lasse ich es lieber gleich bleiben. Nijman: "Durch diese Art unausgesprochener Annahmen kann eine Mauer zwischen zwei Menschen entstehen. Gehen Sie deshalb nie blind von bestimmten Annahmen aus, sondern überprüfen Sie sie regelmäßig."
Dann wissen Sie nämlich, dass Ihr Partner gern ein paar Kilo loswerden möchte, und Sie kaufen das Kokoseis nicht. Und indem Sie die negativen Annahmen formulieren – "Ich hab immer Angst, dir wehzutun, wenn ich mit anderen nette Pläne schmiede. Wie ist das eigentlich für dich?" –, könnten Sie vielleicht sogar entdecken, dass Ihr Partner es überhaupt nicht schlimm findet, wenn Sie ein Wochenende mit Freunden um die Häuser ziehen. Dann hat er oder sie auch mal die uneingeschränkte Macht über die Fernbedienung!
Falle 3: Erwartungen nicht aussprechen
Gegenseitige Erwartungen bilden einen wichtigen Teil der festen Muster innerhalb einer Beziehung. Wir gehen davon aus, dass unser Partner Rücksicht auf uns nimmt. Hat der eine sehr viel zu tun, erledigt der andere mehr im Haushalt oder geht erst zum Sport, wenn die Kinder im Bett liegen. Teilweise geht das ganz von selbst. So sehr von selbst, dass wir oft vergessen, unsere Wertschätzung auszusprechen. Dabei kann gerade ein kleines Dankeschön die Beziehung verstärken.
Schwieriger ist es, wenn die gegenseitigen Erwartungen weder übereinstimmen noch ausgesprochen werden. Was für den einen völlig selbstverständlich ist, empfindet der andere möglicherweise ganz anders. "Eigentlich mag ich Behauptungen wie 'Männer sind eher soundso und Frauen eher so' überhaupt nicht", sagt Nynke Nijman, "aber wenn es um den Haushalt geht, sehe ich in meiner Praxis viele heterosexuelle Paare, in denen sie bestimmte Erwartungen an ihn hat, während er das gar nicht bemerkt.“ Tatsächlich geht aus Studien hervor, dass Männer eine schmutzige Wohnung weniger schnell registrieren und folglich auch nicht schnell aus sich selbst heraus etwas daran ändern. Darüber kann man sich natürlich ärgern, man kann aber auch einfach fragen, ob er bitte mal eben staubsaugen würde.
Eine andere Stolperfalle: Sind die Erwartungen, die wir an den anderen haben, überhaupt realistisch? Darüber denken Partner oft sehr unterschiedlich. Nynke Nijman: "So kann zum Beispiel einer der beiden finden, man solle einander in Gesellschaft grundsätzlich unterstützen, auch wenn man eigentlich anderer Meinung ist, während der andere in dieser Hinsicht mehr Autonomie walten lässt. Bespricht man solche Sachen miteinander, lassen sich Enttäuschung und Wut vermeiden."
Vor einem Gespräch kann es manchmal gut sein, explizit zu formulieren, was wir von dem anderen brauchen: nur ein aufmerksames Ohr, damit man den Ärger über den Kollegen loswerden kann, oder vielleicht im Gegenteil aufbauendes Feedback, weil man nicht weiß, wie man eine Situation angehen soll. So lassen sich falsche Erwartungen bei beiden Parteien vermeiden.
Falle 4: Alles miteinander teilen wollen
Kommt es Ihnen ab und zu so vor, als würde es Ihren Partner überhaupt nicht interessieren, was Sie gerade sagen? Manchmal stimmt das auch, und der Grund dafür ist ganz einfach: Nicht alle Informationen sind für einen anderen interessant. Und das darf auch so sein. "Ihr Partner braucht nicht immer Ihr erster Ansprechpartner zu sein", sagt Nijman. "Natürlich ist es wichtig, dass der andere zuhört, wenn Sie etwas erzählen, das Ihnen wichtig ist; schließlich sollte man wissen, was im anderen vorgeht. Aber wenn mein Mann zum Beispiel ausführlich von der Formel 1 erzählt, schalte ich ab. Und das macht er umgekehrt, wenn ich zu detailliert von einer Arbeitssituation erzähle. Viele interpretieren das sofort als abweisendes Verhalten, aber das ist es nicht. Es ist besser, in einem solchen Fall einfach jemanden anzurufen, mit dem Sie dieselbe Leidenschaft teilen oder der in
derselben Lage steckt wie Sie."
Falle 5: Immer einer Meinung sein wollen
In Grundzügen ist es wichtig, dieselben Vorstellungen zu haben. Der amerikanische Psychologe Darren George entdeckte, dass die Chance auf eine dauerhafte Beziehung zunimmt, wenn Partner Sport vergleichbar wichtig finden, wenn sie sich körperlich ebenbürtig sind, ähnlich über Spiritualität denken und gleich viel an ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten. Die Psychologin Marly Senden fügt noch hinzu: wenn beide Partner vergleichbare Erwartungen vom Leben haben. Nicht in diese Reihe gehört, dass Sie immer alle Ansichten teilen sollten. "Das bringt nichts und ist unrealistisch", sagt Nijman. Dennoch können viele Menschen nicht verkraften, wenn ihr Partner eine andere Meinung hat, obwohl genau das viel Energie kostet und zu endlosen Diskussionen führt.
Wichtig ist vor allem ein klarer Unterschied zwischen "einer Meinung sein" und "einander verstehen". Innerhalb einer Beziehung kann man ausgezeichnet eine andere Meinung vertreten oder Diskussionen führen, sofern man Verständnis und Respekt füreinander hat: agree to disagree. Das fällt vielen Paaren aus Angst vor Ablehnung schwer.
Meinungsunterschiede triggern überdies Zweifel, ob Sie wohl wirklich zueinanderpassen. Aber solange es nicht um äußerst wesentliche Sachen geht, ist dieses Gefühl unnötig, sagt Nijman. Sie brauchen nicht von Ihrem Standpunkt abzuweichen – und der oder die andere auch nicht. Also stehen Sie sich einfach immer mal wieder mit völlig gegensätzlichen Meinungen gegenüber, beschließen Sie laut, dass das völlig okay ist und weder Ihrer Beziehung noch Ihren Gefühlen füreinander Abbruch tut. Indem Sie Ihre unterschiedlichen Ansichten akzeptieren und respektieren, vermeiden Sie viele gegenseitige Irritationen. Das gilt besonders, wenn es Ihnen zudem gelingt, die liebevollste Fassung Ihrer eigenen Persönlichkeit zu sein.